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Hans Sebald Beham (1500-1550): „Typi in apocalypsi Ioannis: depicti ut clarius vaticinia Ioannis intelligi possint“ (1539) sowie Kopien (um 1550)

1539 erschien in Frankfurt Hans Sebald Behams (1500-1550) Schrift „Typi in apocalypsi Ioannis: depicti ut clarius vaticinia Ioannis intelligi possint“. Sie enthält einen Holzschnitt mit einem Himmlischen Jerusalem, das der kolorierten Fassung von 1534 erstaunlich nahe kommt, diese aber weiterentwickelt hat. Vor allem wechselten Johannes und der Engel die Seite und finden sich nun rechts über der Stadt. Auch findet sich hier noch deutlicher die systematische Reihung der Häuser, die für Jahrhunderte so übernommen werden sollte. Bislang gab es zwar auch die Arbeiten von Lemberger, Holbein oder Gerung, doch bei diesen sind stets, wie ja schon bei Cranach, die Häuser ungeordnet abgebildet. Hier jedoch bricht sich ein neuer Ordnungsgedanke Bahn, der die Sehnsucht nach Sicherheit und Orientierung, die durch die Reformation verloren gegangen schienen, perfekt zum Ausdruck bringen konnte.

 Illuminierte Holzschnitte der Luther-Bibel von 1534, Hanau 1982.
Die Bibel in Bildern. Illustrationen aus der Werkstatt von Lucas Cranach (1534). Mit einer kulturhistorischen Einführung von Stephan Füssel, Köln 2009.

 

Vor allem in zwei weiteren Arbeiten zeigt sich die Verbreitung von Behams Neukonzeption. Beide entstanden noch zu seinen Lebzeiten, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Künstler zumindest beratend zur Seite stand. Das erste Beispiel stammt aus dem berühmten Wunderzeichenbuch. Es entstand Mitte des 16. Jahrhunderts in Augsburg und enthält 167 farbige Darstellungen (Gouachen und Aquarelle) von unterschiedlichen Wunderzeichen. Obwohl es sich bei der wertvollen Arbeit um deutsches Kulturgut handelt, das wissenschaftlich dringend näher erforscht werden müsste, wurde es erst 2009 der Öffentlichkeit auf einer Londoner Auktion präsentiert. Es befindet sich im Besitz des Sammlers Mickey Cartin aus New York.
Diese Interpretation des Himmlischen Jerusalem wird der Augsburger Schule zugeschrieben, wo das Bild um 1550 entstanden ist, angeblich unter Beteiligung von Heinrich Vogtherr d. J. und Hans Burgkmair als ausführende Entwurfszeichner oder Illustratoren. Von beiden Künstlern liegen mir Darstellungen des Neuen Jerusalem vor, die aber gänzlich anders als im Wunderbuch aussehen, so dass diese Zuschreibung nicht länger aufrecht erhalten werden kann. Es handelt sich um eine Gouache und Wasserfarbzeichnung der Maße 292 x 150 Zentimeter (zu sehen ist lediglich ein Ausschnitt mit der Stadt ohne den beschreibenden Text zu Kapitel 21 der Offenbarung). Vor allem der kniende Johannes auf dem Felsen, die geometrische Anlage der Stadt und die auffällige Brücke im Zentrum sind der 1539er Fassung sehr ähnlich. Allein die beiden Türme am Hauptzugang sind bei der Wunderbuch-Fassung niedriger und an die Höhe der übrigen Tore angepasst.

Till-Holger Borchert, Joshua P. Waterman (Hrsg.): Das Wunderzeichenbuch, Köln 2013.

 

Das andere Beispiel führt nach La Ferté-Milon, eine kleine französische Gemeinde mit 2085 Einwohnern im Département Aisne in der Region Hauts-de-France. Künstlerischer Höhepunkt des Dorfes ist die römisch-katholische Kirche Saint-Nicolas, wo sich auch eine Darstellung der Maria Immaculata befindet. Das fünfte Glasfenster über dem Tympanon zeigt auf einem Ausschnitt Johannes, den Engel und das Himmlische Jerusalem. Die Arbeit im Renaissancestil ist im 16. Jahrhundert entstanden, als konkretes Entstehungsjahr kursieren verschiedene Daten wie 1542, 1549 und auch, aber unwahrscheinlich, 1598. Der ausführende Künstler ist nicht bekannt, aber er hat die Vorlage von 1539 seitenvertauscht. Markant sind vor allem die modern anmutenden Reihenhäuser, dann auch die empathische Geste, mit der der Engel den Johannes aufmuntert.
In den 1870er Jahren wurde das Fenster von der Werkstatt Durieux aus Reims renoviert, gut einhundert Jahre später wurde der Bau, auch der Glasfenster wegen, als Nationaldenkmal Frankreichs deklariert.

Médéric Lecomte: Histoire de La Ferté-Milon, La Ferté-Milon 1866.
Félix Devigne: Notes sur les vitraux des églises Saint-Nicolas et Notre-Dame de La Ferté-Milon, Caen 1913. 

 

Textbild 1: Day & Faber, London

Textbild 2: Pierre Poschadel, La Ferté-Milon (02), église Saint-Nicolas, verrière n° 5, tympan, CC BY-SA 4.0

tags: Holzschnitt, Hans Sebald Beham, Reformation, Glasfenster, Renaissance, Augsburg, Département Aisne, Frankreich
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