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Hans Sebald Beham (1500-1550): Biblia, das ist, die gantze Heilige Schrifft Deudsch (1534)

1534 wurde die letzte Bibelausgabe zu Martin Luthers Lebzeiten in Wittenberg herausgebracht. Die dreitausend Exemplare waren in wenigen Monaten ausverkauft. Zwölf Jahre hatte es zuvor gedauert, bis Luther die Übersetzung des gesamten Alten Testaments zu einem halbwegs befriedigenden Ende bringen konnte. Verleger, Drucker und Künstler hatten inzwischen gewechselt. Lucas Cranach hatte sich zurückgezogen, dafür trat der Monogrammist „MS“ in Erscheinung. Die Bibel von 1534 wurde mit 117 neuen Holzschnitten aus der Lufftschen Offizin ausgestattet, an denen schon seit 1532 gearbeitet wurde. Der Künstler MS war lange unbekannt, Zuschreibungen an Melchior Schwarzenberg, Martin Schaffner, Martin Schöne oder Moritz Schreiber aus Leipzig konnten nicht überzeugen.
Stephan Füssel, der langjährige Leiter des Instituts für Buchwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, vermutete einen süddeutschen Künstler. Wahrscheinlich handelt es sich um Hans Sebald Beham (1500-1550), einen überzeugten Protestanten aus Nürnberg, der vor allem wegen seiner scharfen Polemiken und pornographischen Kunstwerke auffiel. Gerade deswegen ist er als Mitarbeiter einer „seriösen“ Lutherbibel nicht in Erwägung gezogen worden, obwohl das Monogramm mit Meister Sebaldus aufgelöst werden kann. So wird auch erklärlich, warum hier überhaupt mit einem Monogramm gearbeitet wurde: Man wollte sich durch den umstrittenen Künstler nicht katholischer Polemik aussetzen. In den 1530er Jahren lieferte Beham von Frankfurt am Main aus massenweise Illustrationen für Bibelausgaben. 1539 erschien in Frankfurt seine Schrift „Typi in apocalypsi Ioannis: depicti ut clarius vaticinia Ioannis intelligi possint“. Sie enthält einen Holzschnitt mit einem Himmlischen Jerusalem, das der kolorierten Fassung von 1534 erstaunlich nahe kommt, außer, dass es seitenverkehrt angeordnet ist. So findet sich hier die systematische Reihung der Häuser, die für Jahrhunderte so übernommen werden sollte. Bislang gab es zwar auch die Arbeiten von Lemberger, Holbein oder Gerung, doch bei diesen sind stets, wie ja schon bei Cranach, die Häuser ungeordnet abgebildet. Hier jedoch bricht sich ein neuer Ordnungsgedanke Bahn, der die Sehnsucht nach Sicherheit und Orientierung, was durch die Reformation verloren gegangen schien, perfekt zum Ausdruck bringen konnte.

 

Die gleiche Bibelausgabe von 1534 zeigt übrigens auch eine kleine, goldfarbene Himmelspforte. Diese ist mit einem rotfarbenen Eckpfeiler geschmückt und schwebt auf Wolken. Man findet sie als Teil der himmlischen Herrlichkeit und des Thrones Gottes auf fol. CLXXXV. Der mit Pflanzen (Akanthus) ornamentierte rechte Türflügel ist leicht nach außen geöffnet, der linke Türflügel ist bereits nicht mehr zu sehen, aber Einblicke in die Stadt werden dem Betrachter hier nicht gewährt.

 Johann Melchior Krafft: Historische Nachricht Von der Vor 200 Jahren 1734 (sic pro 1534) zum allerersten in Wittenberg bey Hans Lufften (…) gedruckten Verdeutschten Bibel Doct. Mart. Lutheri, Altona 1734.
Illuminierte Holzschnitte der Luther-Bibel von 1534, Hanau 1982.
Heimo Reinitzer: Die erste Gesamtausgabe der Lutherbibel von 1534, in: Bibel in der Welt, 21, 1985, S. 137-154.
Stanislaw Waltos: Zu den Druckstöcken der Luther-Bibel des Jahres 1534, in: Die Druckstöcke der ersten Luther-Bibel, Bochum 1990, S. (3)-(10). 
Stephan Füssel: Das Buch der Bücher: Die Luther-Bibel von 1534, Köln 2002. 
Carl Christensen: Luther and the woodcuts to the 1534 Bible, in: Lutheran Quarterly, 19, 2005, S. 392-413.
Die Bibel in Bildern: Illustrationen aus der Werkstatt von Lucas Cranach (1534). Mit einer kulturhistorischen Einführung von Stephan Füssel, Köln 2009. 

 

tags: Bibelausgabe, Hans Sebald Beham, Pforte, Martin Luther, Lucas Cranach, Reformation
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