
Johann Friedrich Hilcken (1675-1728), Julius Christian Arensburg (1665-1713): Münze zum Reformationsjubiläum 1717
Von der Spätantike bis zum Ende des 17. Jahrhundert wurde das Himmlische Jerusalem nicht auf Münzen oder Medaillen gebracht – jedenfalls haben sich keine Beispiele erhalten. Dann, innerhalb einer Generation, wurde gleich eine Reihe solcher Objekte geprägt und in Umlauf gebracht, 1698, 1730 oder 1732. Für den deutschen Sprachraum ist dieses Beispiel von 1717 herausragend.
Die Silberünze (44 Millimeter Durchmesser, 58 Gramm Gewicht) entstand im Herzogtum Mecklenburg-Strelitz, als Reichstaler war sie im gesamten deutschsprachigen Handelsraum von Oberitalien bis nach Skandinavien ein anerkanntes Zahlungsmittel.
Der Avers zeigt Adolph Friedrich III., der seit 1708 regierte, darunter „JCA“, also „Jubilo Confessio Augustana“. Das Bezog sich auf das zweihundertjährige Jubiläum von Luthers Reformvorschlägen, die als Beginn der Reformation galten. Was sollte man zu diesem Anlass auf den Revers zeigen? Man entschied sich für das Himmlische Jerusalem, aus der Vogelperspektive. Bemerkenswert, fast ironisch, ist die lateinische Widmung „nec ingens si corruat orbis“: „Es ist auch nicht großartig, wenn die Welt zusammenbricht“. Die Stadt darunter im Quadrat mit ihren zwölf Toren und den horizontalen wie vertikalen Linien der Häuser bzw. Straßen entsprach dem gängigen Genre der Jahrzehnte zuvor, siehe etwa Melchior Küsel (um 1690) oder die Bilder-Bibel von Johann Ulrich Kraus (1705). Dennoch besitzt diese Darstellungen Besonderheiten, auf die kurz eingegagen werden soll:
-ein kunstvoller Strahlenkranz dominiert fast die gesamte obere Hälfte der Stadt und betont noch einmal das Lineare;
-in der Mitte, wo eigentlich das Lamm Gottes auf dem Zionsberg stehen sollte, findet man hier einen unförmigen Gegenstand, der unfreiwillig an ein Nachthemd erinnert, bekrönt mit einem lateinischen Kreuz;
-vor die Tore sind gekräuselte Objekte gesetzt – es kann sich ebenso um ausströmendes Wasser handeln wie um Seraphim;
-vor die Stadt wurden sieben eigenartige Zacken gesetzt, die man anderswo so kaum finden wird, vielleicht in Anlehnung an die Edelsteine (Edelstein-Apokalypse, 1300-1350). Sie wurden auch als Klippen und Meer gesehen – eine Sichtweise, die dadurch bestärkt wird, dass die Münze in Lübeck an der Ostsee hergestellt wurde, von den Stempelschneidern Julius Christian Arensburg (1665-1713) und Johann Friedrich Hilcken (1675-1728).
Dank Michael Kunzel sind wir über die Hintergründe gut informiert: Arensburg trug sich schon länger mit goldenen und silbernen Jubelprägungen anlässlich des Reformationsjubiläums. Die Vorderseitenstempel mit dem Porträt schnitt Arensburg wahrscheinlich selbst, den Rückseitenstempel ließ er von seinem Kollegen Hilcken schneiden. Arensburg soll es wiederum gewesen sein, der sich für Lübeck als Herstellungsort entschied. Ende Dezember 1717, die Festlichkeiten zum Jubiläum waren bereits vorbei, erhielt Arensburg vom Herzog einen Protestbrief: Hilcken hätte die Stempel unsauber geschnitten, die Münzen seien schlecht geprägt. Daher mussten 1718 sieben neue Stempel angefertigt werden, die aber auch nur kurz im Einsatz waren: Sie versanken beim Prägevorgang, barsten oder zersprangen. Arensburg schob die Schuld dafür Hilcken zu, gegen den er mit Hilfe des Herzogs finanzielle Ansprüche geltend machte. Die viel schwerere Folge: Arensburg, ein Talent des kleinen Herzogtums, zog sich ganz und für immer aus dem Münzgeschäft zurück.
John Davenport: German Talers 1700-1800, London 1965.
Martin Luther und die Reformation auf Münzen und Medaillen. Sammlung Prof. Robert B. Whiting. Coins and medals of Martin Luther and the reformation, Zürich 1983.
Michael Kunzel: Mecklenburgische Münzkunde 1492-1872. Münzgeschichte und Geprägekatalog, Berlin 1985.
Rainer Opitz (Hrsg.): Reformatio in Nummis. Geschichte der Reformation und des Protestantismus, Annotierter Gesamtkatalog der Sammlung Rainer Opitz, Osnabrück 2018.