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Spätmittelalterliche Miniatur aus Mähren (um 1425)

Diese Miniatur aus „Historia Novi Testamenti“, also einer Geschichtsbibel, soll einst in Mähren entstanden sein, in der Zeit um 1425. Damals war Mähren dem Fürstentum und dem späteren Königreich Böhmen inkooperiert und gehörte für viele Jahrhunderte zum Reich der Habsburger. Das ist der Grund, warum heute diese spätmittelalterliche Handschrift nicht in Prag und auch nicht auf Schloss Ambras, wo sie einst lagerte, sondern in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt wird, unter der Signatur Cod. 485.
Der linke Ausschnitt von folio 53r zeigt als kolorierte Federzeichnung das Jüngste Gericht. Im Aufbau gibt es keine Besonderheiten, sondern er ähnelt vielen anderen Weltgerichten dieser Zeit (vgl. etwa den Speculum Humanae (1420-1440): Höllendarstellung rechts, das Neue Jerusalem in Form einer Pforte mit angrenzender Bebauung links, dazwischen Christus Pantokrator in einer Mandorla. Die Besonderheiten liegen im Detail. Neben dem Tor ist ein befestigungsartiger Rundturm angefügt, auf dem es oben zu brennen scheint oder auf dem Heu eingelagert wurde. Beides ist jedoch nicht der Fall, sondern der Künstler hat auf diesem mittelalterlichen Dachgarten die früchtetragenden Bäume Jerusalems gesetzt. Vor die Stadt hat der Miniaturist Petrus mit dem Schlüssel und eine sehr kleine Gruppe von Ständevertretern hinzugefügt. Die mittelalterliche Gesellschaft scheint hier mit zwei Bischöfen und einem König ausreichend vertreten zu sein. 99,9 Prozent der damaligen Gesellschaft mussten daraus schließen, dass für sie die Hölle vorgesehen war.

Karl Schwarzenberg: Katalog der kroatischen, polnischen und tschechischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien 1972, Nr. 485.
Theodor Gottlieb: Die Ambraser Handschriften. Beitrag zur Geschichte der Wiener Hofbibliothek, 1, Leipzig 1900.
Karel Stejskal, Petr Voit, Illuminované rukopisy doby husitské, Prag 1991.
Michaela Schuller, Maria Theisen (Bearb.): Wiener Bilderbibel. Altes und Neues Testament mit den Spätschriften des Alten Testaments, Wien 2006.

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