Die US-amerikanische Zeitschrift „The Watchman Magazine: An Interpreter of the Times“ warnte 1940 vor dem drohenden Unheil und Krieg in Europa. Gleichzeitig ermunterte diese einfarbige Zeichnung, mit der auch für eine Subskription der Zeitschrift geworben wurde, zur Auswanderung: Die europäische Zivilisation (so ist das Schiff getauft) flüchtet sich, bedroht von einem (deutschen?) Torpedoboot (links unten), über den Atlantik in eine bessere Welt, also das Neue Jerusalem. Selten ist Nordamerika bildlich so direkt mit dem Himmlischen Jerusalem in Beziehung gebracht worden, welches sich oben am Firmament entlangzieht, samt Stadtmauer und zentralem Haupttor. Von der Stadt gehen radial Strahlen nach oben aus, und linear nach unten bis an den Bildrand, so dass der Eindruck entsteht, es würde regnen. Eine Besonderheit ist, dass die Wellenlinie des Torpedos von links unten mit den Strahlen von rechts oben in einem Spannungsverhältnis steht.
Das rettende Schiff als ein Mittel, in das Neue Jerusalem zu gelangen, hat eine lange Vorgeschichte. Im Ramen spanischer und neuspanischer Darstellungen der Maria Immaculata findet sich mitunter eine Galeone, die Pilgerliteratur kennt die Schiffsallegorie und bei Zweiwegebildern kennen wir mehrfache Rekurse auf ein Schiff, etwa bei einer moderneren Fassung aus Schweden. Diese Fassung ist hier besonders wichtig, da es auch dort um Emigration geht.
Gleichzeitig ist diese kleine Illustration (im Original lediglich 5 x 7 Zentimeter groß) eines der wenigen Beispiele für das Himmlische Jerusalem als ein Werbemotiv. Die Anzeige wurde nicht allein in dem Magazin „Watchman“ geschaltet, sondern auch in den Zeitschriften „Advent Review and Sabbath Herald“ und im „Atlantic Union Gleaner“ (Band 39, 13, 1940, S. 5), alles publizistische und missionarische Organe der US-amerikanischen Adventisten, so dass wir davon ausgehen können, dass über die engen Verbindungen der Kirche nach Europa und insbesondere nach Deutschland diese Illustration auch hier bekannt war. Trotz weiter Verbreitung ist der Designer auf keiner der drei Fassungen genannt und damit leider namentlich nicht bekannt.
Claus Bernet: Das Himmlische Jerusalem bei Adventisten, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 20).