Hans Burgkmair (1473-1531): Entwurf für einen Weltgerichtsaltar (um 1518)

Bislang war man davon ausgegangen, eine Illustration aus einem Neuen Testaments von 1523 wäre die einzige Auseinandersetzung des Reformationskünstlers Hans Burgkmair (1473-1531) mit dem Himmlischen Jerusalem. Es gibt jedoch eine Entwufszeichnung die darauf hin deutet, dass Burgkmair sich doch etwas intensiver mit diesem Thema beschäftigt hat. Es handelt sich um eine Handzeichnung, die das Schwedische Nationalmuseum in Stockholm, zusammen mit anderen Werken dieses Künstlers, aufbewahrt (Inventarnummer NMH 1001918). Es handelt sich um eine 20 x 29 Zentimeter große Federzeichnung in schwarzer Tinte.
Gezeigt wird ein Entwurf für einen Weltgerichtsaltar, wie sie auch im 16. Jahrhundert gefragt waren, das belegen Arbeiten von Hans Traut der Jüngere (um 1500), Gert van Loon (um 1500), Martin Schaffner (um 1510), Theofil Stanzel (1511) oder Jan Provoost (1525-1529). Im Gegensatz zu diesen Werken scheint der Entwurf Burgkmairs, soweit man ihn beurteilen kann, stärker im Mittelalter verhaftet, traditionell und wenig innovativ, was damals nicht bemängelt, sondern als Qualitätsmerkmal gesehen wurde.

Links strömt eine Menschenmenge in das Neue Jerusalem, rechts werden Menschen in einer Höllenlandschaft gequält, zwischen Maria und Johannes dem Täufer erscheint Christus als Richter auf einem Regenbogen. Große Teile der Zeichnung wurden nicht vollendet, wie Christus und Johannes einmal aussehen sollten, wissen wir nicht. Die linke Seite ist stärker ausgearbeitet. Dort scheint sich eine ausladende Treppe zu befinden, von der wegen der Menschenmassen jedoch nur die unterste Stufe teilweise zu sehen ist. Die Massen drängen zu einer schmalen Pforte und werden dabei von Engeln assistiert. In dem Gedränge sind ein Papst, ein Kardinal, ein Bischof und ein Kaiser auszumachen, anhand ihrer Kopfbedeckungen. Eine weitere individuelle Figur steht rechts davon, es ist Petrus mit dem Schlüssel, der als einziger frontal zum Betrachter steht.
Wurde Hans Burgkmairs Altar jemals angefertigt? Das lässt nicht mit abschließender Sicherheit beantworten, aber zwei Indizien deuten darauf, dass es bei einem Entwurf geblieben ist: Erstens ist die Arbeit unvollendet geblieben, und zweitens gibt es keine schriftlichen Quellen, die von der Existenz eines Burgkmair-Weltgerichtaltars berichten.
Tatsächlich ist die Studie eng an einen vollendeten Weltgerichtsaltar von Stefan Lochner (1435) angelehnt, vor allem der Kompositionsaufbau ist identisch. Die zahlreichen Geretteten, die zu dem Tor mit dem Medaillon strömen, sind nach Lochner gearbeitet. Dadurch, dass aber der gesamte obere Aufbau von Lochners Jerusalem, mit dem Wimperg, der Balustrade und dem rechten Seitenturm weggelassen wurde, treten bei Burgkmair die Rippen des Kreuzgewölbes deutlicher hervor.
Burgkmair hat um 1518/19 an mindestens zwei Altären gearbeitet, dem Johannesaltar „Evangelist Johannes auf Patmos“ und dem Kreuzigungsaltar (beide München, Alte Pinakothek). In dieser Zeit, nicht um 1525, ist diese Studie als Übung und zur Vorbereitung angefertigt worden.

Tilman Falk: Hans Burgkmair. Studien zu Leben und Werk des Augsburger Malers, München 1968.
Hans Burgkmair 1473-1531. Das Graphische Werk, Ausstellungskatalog, Stuttgart 1973.
Wolfgang Augustyn, Manuel Teget-Welz: Hans Burgkmair. Neue Forschungen, Passau 2018.

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tags: Reformationszeit, Weltgerichtsaltar, Kopie, Spätmittelalter, Gotik, altdeutsch
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