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Martin Schaffner: Himmelspforte (um 1510) und Arkadenjerusalem aus der Johanneskirche zu Gingen an der Fils (1524)

Martin Schaffner (geb. um 1478, gest. nach 1546) war ein deutscher Maler und Bildschnitzer der Ulmer Schule. In seiner Werkstatt entstand um 1510 eine 223 x 125 Zentimeter große Tafelmalerei zum Thema Weltgericht. Nicht nur eine Vorstudie hat sich im Kupferstichkabinett Basel erhalten, sondern in Teilen auch das Original: Bis 1880 befand sich das Werk in der römisch-katholischen Kirche Sankt Jakob in Pfullendorf, 1910 kam es als Leihgabe des Erzbischöflichen Diözesanmuseums in das Augustinermuseum in Freiburg im Breisgau (dort Inventar-Nr. DM 001 a-b/D). Dort ist es ein wichtiger Teil der ständigen Sammlung. Ursprünglich bestand die gotische Malerei aus drei Tafeln. Erhalten haben sich jedoch nur der linke und rechte Flügel, ersterer mit einer Darstellung der Erlösten beim Einzug in die Seligkeit. Zwischen der Menschenmenge unten und den Wolken oben ist von der Architektur wenig zu sehen, außer einigen Profilleisten der rechten Laibung der Himmelspforte (vgl. dazu das Fresko aus der evangelischen Kirche von Mundelsheim). Aus ihr glänzt es verheißungsvoll, und eine gewaltige Anzahl Geretteter strömt durch diese Pforte. Diese wird von dem Ansturm der Menschen und Engel unten sowie der Wolken oben schier verdeckt.

Detlef Zinke: Augustinermuseum: Gemälde bis 1800. Auswahlkatalog: Gemälde bis 1800, Freiburg 1990. 

 

Die Johanneskirche zu Gingen an der Fils in Württemberg wurde 1524 anlässlich einer Kirchenerneuerung mit Fresken ausgemalt. Der Zeitpunkt war ungewöhnlich, denn man befand sich mitten in den Streitereien der Reformation. Kirchenausmalungen in dieser Zeit waren selten, man hatte anderes zu tun. Man erklärt es sich so, dass man damals, als die Kirche noch katholisch war, vor dem Protestantismus warnen wollte, da man auf der Malerei vornehme Ständvertreter wie Adlige und Bischöfe nur bei den Seligen und nicht bei den Verdammten findet. Eine solche Interpretation, wie man sie auch im entsprechenden Eintrag der Wikipedia findet (2021), halte ich für fragwürdig, denn vornehme Ständevertreter gab es ebenso im Luthertum, und dass durch solch ein Fresko auch nur ein einziger Katholik vor einem Konfessionswechsel abgehalten wurde, ist eher unwahrscheinlich und misst der Macht der Bilder doch etwas zu viel Einfluss zu.
Wir wissen, dass es sich bei der Malerei um eine Stiftung des Obervogts Eitel Sigmund von Berg und seiner Gattin Ursula von Speth handelt. Am äußeren Chorbogen findet man an der linken Seite die Darstellung des Himmlischen Jerusalem in Form mehrerer Arkaden, wie man es auch auf Darstellungen von Benediktinerklöstern her kennt. Fünf Arkaden mit toskanischen Säulen der Frührenaissance haben sich erhalten, ursprünglich waren es im unteren Bereich noch mehr gewesen. In diesen Arkaden musizieren Engel mit Instrumenten wie Orgel, Flöten, Laute, usw. Ungewöhnlich ist die Positionierung von Moses in den Wolken direkt über Jerusalem mit einer Tafel, die darauf verweist, dass man sich von Gott kein Bildnis machen soll: „O ir Menschen, haltet die Gebot Gottes, so ist euch nach das Rich – Moses“.
An den Ausmalungen soll damals auch Martin Schaffner beteiligt gewesen sein. Durch den Vergleich mit der Tafelmalerei von 1510 kann diese Zuschreibung nur bedingt Aufrecht erhalten bleiben. Bei der Tafelmalerei kommt der gotische Charakter viel deutlicher zum Ausdruck; Schaffner war ein Vertreter der traditionellen katholischen Malschule. Er zeigt eine Himmelspforte wie Generationen zuvor. Bei der Johanneskirche zu Gingen an der Fils dominieren jedoch Renaissanceeinflüsse, die Malerei ist weitaus experimenteller, innovativer und origineller, was eher auf eine lokale Malschule des 16. Jahrhunderts verweist.

Heribert Hummel: Wandmalereien im Kreis Göppingen, Weißenhorn 1978.
Gabriele von Trauchburg: Johanneskirche Gingen/Fils, Donzdorf (2015).

 

tags: Ulm, Schwaben, Tafelmalerei, Gotik, Diözesanmuseum Freiburg, Ständevertreter, Fresko, Reformation, Chorbogen, Arkade, Moses, Renaissance
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