Im Laufe der letzte zweitausend Jahre gab es bezüglich von Bibelausgaben fast alles, was künstlerisch möglich war: Prachtausgaben mit echten Edelsteinen, handgeschriebene Fassungen, die Bibel als Comic, die Bibel in Blindenschrift und viele andere Kuriositäten. Unter anderem gab es immer wieder Versuche, die Bibel ganz oder in Teilen so klein wie nur möglich herauszubringen. Heute gibt es Ausgaben, die man nur unter dem Mikroskop sehen kann – was das soll, ist eine andere Frage, es wird gemacht, weil es technisch möglich ist.
Eine extrem kleine Bibel entstand schon im 18. Jahrhundert in Nordamerika, Thumb Bible genannt, bei der auf eine aufwendige Bebilderung verzichtet wurde. In Philadelphia, dem ersten Zentrum der deutsch- wie englischsprachigen Druckpresse, wurde 1796 eine frühe amerikanische Bibelausgabe mit einem Bild des Himmlischen Jerusalem ausgestattet. Gedruckt wurde diese Ausgabe bei John Dickins (1747-1798) in seinem Verlagssitz North Second Street Nr. 50 in Philadelphia. Das Haus ist längst verschwunden, die Drucke haben sich in der ganzen Welt erhalten (hier eine Abbildung aus der Library Company of Philadelphia). Treffend lautete der Titel „The Bible in miniature or A concise history of the Old and New Testament“: „Die Bibel im Kleinen oder eine kurze Geschichte des Alten und Neuen Testaments“. Es handelt sich um eine komprimierte Bibelausgabe für Jugendliche, vielleicht zum Religionsunterricht oder zur Sonntagsschule vorgesehen, mit insgesamt lediglich 18 Abbildungen. Ob diese aus religiösen oder finanziellen Motiven bewusst einfach gehalten sei sollten oder ob der oder die Künstler zu keinen anspruchsvolleren Abbildungen in der Lage waren, ist umstritten. Jedenfalls waren dem Künstler europäische Bibelausgaben bekannt, denn auf Seite 180 wird dem Leser bei der Anordnung von Engel, Johannes und der Stadt das Altvertraute geboten. Auch das Lamm mit der Siegesfahne auf dem Hügel ist ein Motiv, welches gerade im 18. Jahrhundert überaus populär war (Berleburger Bibel von 1726, Büdingische Sammlung von 1742, Symbolum Apostolorum von ca. 1750). Über den Wolken erscheinen Zeichen, die an hebräische Buchstaben erinnern sollen und die an den Schriftzug mit dem Namen „Jahwe“ im Tetragram anlehnen, aber mit der hebräischen Schrift war man überfordert.
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