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Die Berleburger Bibel (1726)

1726 erschien der erste Band der Berleburger Bibel „Heilige Schrift Altes und Neues Testaments“ mit einem bemerkenswerten Kupferstich, der sich eng an den des Petersenschen Werkes „Offene Thür“ von 1718 hält. Ein großformatiges Himmlisches Jerusalem als Frontispiz für eine Bibelausgabe hat es bis dato eigentlich noch nicht gegeben. Der maßgebliche Herausgeber, Johann Friedrich Haug (1680-1753), musste wegen „pietistischer und donatistischer Irrtümer“ Straßburg verlassen und bekam in Berleburg in der Wetterau Asyl. Vom dortigen Grafen Casimir von Sayn-Wittgenstein (1687-1741) wurde er unterstützt, eine mystisch angehauchte Pietismus-Bibel zu erstellen, die die Idee der Philadelphia-Gemeinde, der „besseren“ Kirchengemeinde, zum Ausdruck bringen sollte. Dazu wurde der gesamte Urtext neu übersetzt und kommentiert. Finanziert wurde das Ganze, ganz unpietistisch, durch eine Lotterie. Dank dieser Finanzierung wurde auch ein qualitativ hochstehendes Frontispiz möglich, dessen Kupferstecher leider nicht zu ermitteln war.

Nach sieben Stufen öffnet sich, von Palmen gerahmt (Psalm 92, Vers 13-14), eine zweiflügelige Tür. In einer Ebene jenseits der Tür erscheint das Himmlische Jerusalem. Die Stadtmauern, Tore und das Christuslamm sind so gearbeitet, wie man es aus anderen, älteren Zeichnungen her kennt, etwa aus den Vorlagen von „Theatrum Biblicum“ (1643). Im Gegensatz dazu sind Häuser hier nicht zu sehen. Das Innere des Stadtbezirks ist jedoch anders schraffiert als der Außenbereich, und möglicherweise sollte somit angedeutet werden, dass die unzähligen Bauten der Stadt in der Menge gar nicht mehr erkannt werden können. Über der Stadt schwebt ein Spruchband: „Sihe ich habe vor dir gegeben eine offene Thür, und niemand kan(n) sie zuschließen, denn du hast eine kleine Krafft und hast mein Wort behalten und hast meinen Namen nicht verleugnet“ nach Johannesoffenbarung Kap. 3, Vers 8; darunter ein Emblem mit einem Dreieck und der Aufschrift „Friedens-Fürst“ und „Friedenskinder“. Kaum zu lesen ist die Aufschrift auf dem oberen Türbalken: „Die Philadelphische Gemeinde“. Aus dieser Gemeinde sollte das Himmlische Jerusalem hervorgehen.
In der Supraporte halten zwei Engel eine Krone, darüber öffnet sich das Giebelfeld und zeigt eine aufgeschlagene Bibel mit der Aufschrift „Die Heilige Schrifft Altes und Neues Testaments“ – also der eigentliche Werkstitel. Darüber erleuchten eine Sonne, eine Kerze und ein Morgenstern die Bibel – eine feinsinnige Kritik an der sich wissenschaftlich gebenden Theologie: Ohne wahre Erleuchtung aus Christus heraus kann der Mensch, selbst unter Zuhilfenahme der Theologie, die Heilige Schrift weder richtig noch vollständig ergründen – eine Annahme des Pietismus.

Martin Hofmann: Theologie und Exegese der Berleburger Bibel (1726-42), Gütersloh 1937.
Martin Brecht: Die Berleburger Bibel: Hinweise zu ihrem Verständnis, in: Pietismus und Neuzeit, 8, 1982, S. 162-200.
Hans-Jürgen Schrader: Pietistisches Publizieren unter Heterodoxieverdacht: der Zensurfall ‚Berleburger Bibel’, in: Herbert G. Göpfert (Hrsg.): ‚Unmoralisch an sich…’: Zensur im 18. und 19. Jahrhundert, Wiesbaden 1988, S. 61-88.
Reinhard Mühlen: Die Bibel und ihr Titelblatt. Die bildliche Entwicklung der Titelblattgestaltung lutherischer Bibeldrucke vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Würzburg 2001.
Claus Bernet: Der Pietismus, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 10).

 

tags: Frühe Neuzeit, Bibelausgabe, Pietismus, Hessen, Himmelspforte
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