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„Sammlung auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes“ (1731)

Dieser Kupferstich findet sich als Frontispiz des ersten Bandes im Jahrgang 1731 der Zeitschrift „Sammlung auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes“. Dabei handelt es sich um das ausgewiesene Sprachrohr des Pietismus. Bis 1760 war diese Erbauungszeitschrift wesentlich daran beteiligt, einerseits eine pietistische Öffentlichkeit herzustellen, andererseits verfolgte man das Ziel einer Glaubensstärkung der Wiedergeborenen durch Text und Bild. Diese Illustration diente sicherlich dem Letzteren. Darauf deutet auch, dass direkt unter dem Stich der Text der ersten beiden Verse des Johannesevangeliums Kap. 22 beigegeben wurde, in deutscher Sprache. Zudem scheint die Abbildung mehr eine schmückende-meditative Funktion zu haben, sie steht in keinem direkten Bezug zu der Vorrede oder den weiteren Beiträgen dieses Bandes; an keiner Stelle wird auf ihn weiter hinten in der Zeitschrift näher eingegangen, als hätte man ebenso gut etwas anderes bringen können.

Der Bildaufbau mit seinen drei Zonen (Erde, Neues Jerusalem, göttlicher Bereich) wie eine Lehrtafel aufgebaut. Ohne Bibelkenntnisse sind viele Einzelheiten des Stiches ohnehin nicht aus sich heraus zu verstehen. Er bemüht sich, dem biblischen Text möglichst wortgetreu in ein Bild zu übersetzen, geht aber auch darüber hinaus: Tief unten stehen zwei Figuren auf einem Hügel: rechts Johannes, links ein Engel mit einem Maßstab. Er deutet auf das, um was es hier geht: die prächtige Stadt hoch über den beiden Figuren. Die Stadt soll quadratisch sein und hat zwölf Tore. Eine Phantasiezutat sind zahlreiche Laubbäume. Sie sind regelmäßig gesetzt und machen aus der Stadt fast eine Plantage. Zwischen den Bäumen schieben sich drei schnurgerade Bewässerungskanäle. Vorne strömt aus diesen Kanälen das Wasser des Lebens aus der Stadt nach unten. Oben ist der göttliche Bereich, der eigentlich in der Stadt zu finden wäre: das Lamm Gottes, der Thron (als Quelle des Wasser des Lebens), die vier apokalyptischen Wesen, die als die vier Evangelisten gedeutet werden.
Der Kupferstich gehört zu einer Reihe pietistischer Illustrationen, die alle das Himmlische Jerusalem als das eigentliche Ziel eines frommen Lebens vor Augen führen: Heinrich Müllers „Liebes-Kuß“, Johanna Eleonora Petersens „Hertzens-Gespräche mit Gott“ oder das Herdenmotiv der Herrnhuter Brüdergemeine sind weitere herausragende Arbeiten mit Breitenwirkung. Ausdrücklich verwiesen sei auch auf Johannes Beers „Gewinn und Verlust“. Beers Arbeit war zwar einhundert Jahre zuvor erschienen, hat aber stilistisch mit diesem Kupferstich überraschende Ähnlichkeiten.

Sammlung auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes, Leipzig, 1, 1731.
Gergely Csukás: Topographie des Reiches Gottes. Die „Sammlung auserlesener Materien zum Bau des Reiches Gottes“ und ihre Fortsetzungsserien, Göttingen 2020.

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tags: SLUB Dresden, Kupferstich, Frontispiz, Pietismus, Plantage, Erbauungsbild
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