Fresko in der Burgkapelle von Obergrombach (14. Jh. und um 1460)

Burgkapellen sind nicht gerade ein traditioneller Ort für Darstellungen des Himmlischen Jerusalem. Eine Ausnahme ist die Kapelle der Marienburg in Obergrombach bei Bruchsal im Kraichgau. Das historische Gebäude befindet sich noch heute in Besitz der Adelsfamilie von Bohlen und Halbach, ist aber bei evangelischen Gottesdiensten (nur im Sommer) oder Führungen des Heimatvereins, etwa bei Burgfesten oder Denkmalstagen, für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die Kapelle selbst ist aus dem 14. Jahrhundert. An der Nordwand befindet sich eine Darstellung des Jüngsten Gerichts. Ursprünglich befand sich das Himmlische Jerusalem, wie traditionell üblich, an der linken Seite. Dort befinden sich heute noch Reste dieser ersten Ausmalung aus dem späten 14. Jahrhundert: Ein Engel mit den für diese Zeit charakteristischen langen, spitzen Flügeln, darunter eine Gruppe von Ständevertretern vor Petrus (nur zur Hälfte erhalten) und Fragmente der Architektur des Neuen Jerusalem, wie rote Türme und Vorzeichnungen von Bauten dazwischen. Man kann diese Details nur sehen, wenn man über eine Holztreppe die Empore betritt. Die Malereien sollen, so wird in der Fachliteratur vermutet, in einem Zusammenhang mit dem Jüngsten Gericht in Heidelberg stehen.
Um 1461 wurde die Burg erweitert und ein vierstöckiger Palas errichtet. Im Zuge der Expansion und Verschönerung malte man damals auch die Kapelle neu aus. Diese Malereien wurden offenbar von Bischof Johannes II. Nix von Hoheneck (gest. 1467) in Auftrag gegeben, worauf sein erhaltenes Wappen hindeutet. Bei den Umbauten wurden auch die Türen vergrößert und Oberlichter eingesetzt. Die Folge: Die linke Seite der Malereien wurde zum Teil beschädigt, sogar die zentrale Christusfigur in der Mandorla wurde im unteren Bereich abgeschlagen, man sieht jetzt nur noch den Brust- und Kopfbereich, wie er um 1890 freigelegt wurde.

Da gleichzeitig die erwähnte Empore eingebaut wurde, konnte man im Kirchenschiff das Weltgericht nur noch in seiner rechten Hälfte erleben; zu sehen war allein die Höllendarstellung. Um aus dem Schiff heraus das Neue Jerusalem wieder sichtbar zu machen, hat man es um 1460 auf der oberen rechten Seite des Freskos neu ausgeführt.

Inzwischen hatte sich der Geschmack geändert, eine einfache Pforte wollte man nicht haben, sondern man entschied sich für eine komplexere Darstellungsweise. Eine niedrige Mauer (Vorbild: Hortus Conclusus) schützt die Geretteten, die vor zwei riesigen Flügeltüren stehen, die wie Türen einer Scheune wirken. Daran schließt ein kirchenähnlicher Bau an. Anschließend, kaum erhalten und sehr klein, ahnt man die Umrisse eines weiteren Baus, eines weißen Turmes, ähnlich wie auf zeitgenössischen Blockbüchern. Vor dem Gebäude erhebt ein Priester eine Hostie: Hier wird das ewige Abendmahl gefeiert.

Ich möchte abschließend noch ein weiteres Interpretationsangebot anbieten. Im Kunstmuseum von Lyon befindet sich ein spätmittelalterlicher Altar. Dieser ist nicht in Frankreich, sondern in Biberach entstanden – eine lehensrechtliche oder kulturgeschichtliche Beziehung nach Obergrombach müsste noch erforscht werden. Das Alter dieses Altars wird vage mit 1520 angegeben. Da der Altar noch sehr dem Mittelalter verhaftet ist, kann er ebenso eine oder zwei Generationen früher entstanden sein und kommt langsam in die Zeit der Obergrombacher Freskenmalerei – es ist natürlich auch möglich, dass zwischen diesen beiden Werken noch ein drittes, verlorenes oder noch bekanntes Verbindungsstück existiert(e).


Wie auch immer, der Altar zeigt an seiner linken Seite eine Vorhölle, gegenüber einen Karner mit Satteldach und schließlich dazwischen einen ummauerten ovalen Bereich – also ganz ähnliche Elemente wie in Obergrombach, beides an der gleichen oberen linken Seite. Vielleicht handelte es sich in Obergrombach also im Original ebenfalls um einen Karner, der bei der Freilegung in Unkenntnis der ungewöhnlichen Bildkonzeption zu einem Neuen Jerusalem wurde?

Wilhelm Lübke: Die Wandgemälde in der Schlosskapelle zu Obergrombach, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 6, N. F., 1891, S. 82-97.
Georg Troescher: Die Wandbilder der Burgkapelle zu Obergrombach bei Bruchsal und ihre burgundischen Quellen, Frankfurt am Main 1938.
Wolfgang Ossfeld: Obergrombach und Untergrombach in Mittelalter und früher Neuzeit (bis um 1600). Untersuchungen zur älteren Siedlungs-, Verfassungs- und Kirchengeschichte der zwei heutigen Stadtteile von Bruchsal, Stuttgart 1975.
Stephan Boll: Die Wandmalereien in Obergrombach und ihre Forschungsgeschichte, in: Klaus Gereon Beuckers (Hrsg.): Die mittelalterlichen Wandmalereien zwischen Rhein, Neckar und Enz, Ubstadt-Weiher 2011, S. 133-146.

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tags: Baden, Kraichgau, Weltgericht, Fresko, Hortus conclusus, Hostie, Flügeltür
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