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1964, Franz Pauli, St. Petrus und Paulus, Köln, NRW, Rheinland 1 © Claus Bernet

Franz Pauli (1927-1970): St. Petrus und Paulus (ehemaliges Kloster vom Guten Hirten) (1964)

Im Stadtteil Köln-Lindenthal befindet sich ein Kirchenbau, der im Inneren ein Glasband unter der Dachkante besitzt, welches sich um den gesamten Raum zieht. Erbaut war die Kirche für die Ordensgemeinschaft der Schwestern vom Guten Hirten und wurde als Kirche zum Guten Hirten genannt. Beim Bau von 1962 bis 1964 hat der Architekt Fritz Schaller eng mit dem Glaskünstler Franz Pauli (1927-1970) zusammen gearbeitet und gemeinsam wurde das ungewöhnliche Lichtband aus farbigem Antikglas, Blei und Schwarzlot erarbeitet. Die szenischen Motive, die biblische Geschichten nacherzählen, hat Pauli ausgewählt und künstlerisch umgesetzt. In der Literatur wurden sie als Hauptwerk des Künstlers bezeichnet, gleichzeitig ist es bereits ein Beispiel für sein Spätwerk.
Der Eingangsbereich ist ja traditionell ein Ort, der für Darstellungen des Himmlischen Jerusalem prädisponiert ist. Hier ist die Darstellungsweise der Stadt ungewöhnlich: Über einen kleinen Bogen, der für den Zionsberg steht, reihen sich einzelne Häuser aneinander. Es sind alles andere als prächtige Bauten einer Gottesstadt, sondern wackelige, ruinöse Häuser, die zum Teil starke Risse und andere Beschädigungen haben. Vielleicht ist hier unbeabsichtigt der Zustand der Kirche vorweggenommen, um den es nicht zum Besten steht? Der braune Hintergrund trägt nicht zur Aufhellung oder Freundlichkeit der Szene bei. Warum die heilige Stadt so dargestellt ist, vermag ich nicht zu erklären, es gibt aber seit Albrecht Dürer und Erhard Altdorfer eine Traditionslinie, das Himmlische Jerusalem als verfallene Stadt zu präsentieren. In Anröchte hat Pauli diese Darstellungsweise Jerusalems 1968 wiederholt.

Auch die angrenzenden Szenen sind nicht einfach zu deuten. Links sehen wir einen weißen Engel über einer roten Figur, vermutlich wird hier das Binden Satans auf eintausend Jahre gezeigt, also erneut ein Motiv aus Dürers Apokalypse. Rechts hingegen thront der Heilige Michael als Seelenwäger. Die beiden Waagschalen sind aber nicht an seine Seiten gesetzt, sondern befinden sich beide in seiner rechten Hand, direkt über einem ominösen, nicht erkennbaren Gegenstand.
Nachdem die katholische Ordensgemeinschaft den Standort aufgab, wurde die Kirche 1991 an das Erzbistum Köln verkauft, die es an die syrisch-orthodoxe Gemeinde vermietete. Der Bau bekam den neuen Namen St. Petrus und Paulus. 2023 wurde sie noch von der syrisch-orthodoxe Gemeinde genutzt, doch der Abriss des Gebäudes steht wohl bevor. Da seit Jahren Investitionen unterblieben, ist die Bausubstanz heruntergekommen, wovon auch das Glasband betroffen ist. An manchen Stellen werden die Glasscheiben lediglich noch von Klebebändern zusammengehalten. Verhängnisvoll ist vor allem die Lage des Baus in einem parkähnlichen Grundstück, dass sich nach Abriss dichter bebauen ließe und heute der Kirche Einnahmen generieren würde, von denen man in den 1960er Jahren nur träumen konnte. 

Walter Stanke: Franz Pauli zum Gedenken, in: Schlesien, 15, 2, 1970, S. 121.
Emanuel Gebauer: Fritz Schaller. Der Architekt und sein Beitrag zum Sakralbau im 20. Jahrhundert in: Der Oberbürgermeister/Stadtkonservator, 28, Köln 2000, S. 287-293.

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tags: Köln, NRW, Rheinland, Glasband, Franz Pauli, Teufel, Ruine, Verfall, Seelenwaage
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