Fresko der Kirche in Sanderum (um 1500)

Im Jahr 2010 wurden von dem Restaurator Sven Trommer aus Weilburg an der Lahn die Seccomalereien auf Kalkgrund der Kirche in Sanderum (Syddanmark in Dänemark) freigelegt. Die dortigen Gewölbefresken aus der Zeit um 1500 wurden zwar schon im Jahr 1882 entdeckt, doch damals kam es jedoch nur zu einer Freilegung der Westkappen im vorderen Chorgewölbe. Schon diese gaben einen Eindruck von der Qualität und auch Originalität der Malereien, doch wie das Himmlische Jerusalem aussehen würde, war noch nicht bekannt.

Die jüngste Freilegung erwies sich als besonders problematisch, zumal die Ansprüche an solche Arbeiten immer mehr zunehmen. Neben der Putz- und Malschichtkonservierung nahm nach erfolgter Freilegung die Retusche den größten Arbeitsteil ein. Das Sanderumer Himmlische Jerusalem ist durchaus merkwürdig und wirft Fragen auf. Zunächst macht es den gleichen Eindruck wie Hunderte spätmittelalterliche Jerusalemsdarstellungen, ähnlich wie etwa in Östra Herrestad oder in Hästveda: Eine Schar Geretteter, alle nackt, kommt von rechts, wird von Petrus, selbstverständlich bekleidet, vor der Himmelspforte in Empfang genommen und verschwindet in einem kirchenähnlichen Bau links, mit expressiv ineinander geschobenen Bauteilen. Aus diesen erwächst links ein Turm mit einem ausgefransten, grünfarbigen Zeltdach. Es sieht fast wie ein Holzschlitten aus, den man aufs Dach gestellt hätte, oder eine geschälte Gurke. Möglicherweise handelt es sich um eine naive und etwas phantasievolle Darstellung von gotischer Flamboyant-Sakralarchitektur. Die Spitzen links und rechts könnten dann die Strebepfeiler darstellen. Unten sieht man noch Ochs und Esel – anscheinend ein Verweis auf die Geburt Jesu nach außerbiblischer Tradition, aber im Zusammenhang mit dem Himmlischen Jerusalem bislang selten und nur noch in Hyllested ähnlich zu finden.

Die nächste Besonderheit: Üblicherweise finden sich unter den Geretteten Vertreter mittelalterlicher Stände wie Kardinäle, Mönche, Bauern etc. Sehr selten entdeckt man die ein oder andere Frau, meist noch als adelige Königin oder Herzogin. Ganz anders in Sanderum: Hier müssen sich nackte Frauen von Petrus begutachten lassen, der selbstverständlich prachtvoll eingekleidet ist. Überhaupt ist mir kein einziger Fall eines nackten Petrus bekannt. Heute mutet eine solche Szene fremd an, für Jahrhunderte war die Diskriminierung und Sexualisierung von Frauen, gerade in der Papstkirche, eine kaum hinterfragte Selbstverständlichkeit. Es gibt auf den Malereien, auch auf den anderen Kappenfeldern, noch zahlreiche offene Fragen, nur auf eine möchte ich noch hinweisen: die Identität der übergroßen Person rechts ist unklar. Traditionell müsste hier ein Engel stehen, oder der Heilige Michael, der Namenspatron dieser Kirche, doch die Person ist mit Hut und Stab offensichtlich ein Pilger. Sanderum war jedoch zu keiner Zeit ein Wallfahrtsort, und im Kontext eines Weltgerichts ist der Pilger eher eine Randerscheinung.

Claus Bernet, Michael Foerster-Espirel: Das Himmlische Jerusalem in der Renaissance, Norderstedt 2012 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 5).
Uffe C. Petersen, Poul Dahl, Evan Frederiksen: Sanderum kirke, Sct. Michaels kirke, Sanderum 2013.

 

tags: Syddanmark, Dänemark, Deckemalerei, Missbrauch, Schlitten, Ochse, Esel, Ständevertreter, Diskriminierung
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