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Franz Pauli (1927-1970): St. Nikolaus in Brauweiler (1965/1966)

Wenige Kirchen haben drei Glasfenster mit dem gleichen Motiv, und noch weniger Kirchen haben drei Fenster mit gleichem Motiv vom gleichen Künstler. Eine solche Seltenheit ist der Fall bei der römisch-katholischen Kirche St. Nikolaus (der ehemaligen Abteikirche) in Pulheim-Brauweiler im Rhein-Erft-Kreis. Bislang hielt Pforzheim diesen Rekord, wo aber die drei Fenster von zwei verschiedenen Künstlern waren.

Das erste, älteste Fenster nimmt Bezug auf eine mittelalterliche Legende: Abt Poppo gründet im Jahr 1024 die Abtei Brauweiler, und zwar als irdisches Abbild des Himmlischen Jerusalem. Daher ist auf diesem unteren Südfenster des Chors oben die Abtei und unten (hier zu sehen) das Neue Jerusalem dargestellt. Es hat mit steilen Mauern einen festungsartigen Charakter, ähnlich wie eine kürzlich abgeschlossene Arbeit von Helmut Moos in Düsseldorf. An zwei Seiten ist noch die Mauerung zu erkennen. Eigenartig ist das Innere der Stadt: Man findet hier nicht, wie üblich, das Lamm Gottes, sondern dargestellt sind zwanzig Dreiecke, die teilweise einen oder zwei Punkte haben. Eine schlüssige Interpretation wurde dazu bislang nicht geliefert. Ganz ähnlich hat der Künstler die Stadt kurz darauf in St. Chrysanthus und Daria in Bad Münstereifel dargestellt, doch auch dort ist man ratlos. Könnten es die zahlreichen Wohnungen der Stadt sein, wie es einmal in einer Erbauungsschrift 1694 dargestellt wurde? Signiert ist dieses Chorfenster auf das Jahr 1965 und war damals eine Stiftung der Gemeinde Brauweiler.

Das zweite Fenster von 1966 befindet sich im südlichen Seitenchor der Kirche. Über dem Heiligen St. Anno thront das Lamm im Neuen Jerusalem, durch dessen Mitte sich weiße Reihenhäuser ziehen und aus dem der Fluss des Lebens nach unten strömt. Ein weiteres, rotfarbenes Haus befindet sich übrigens oben rechts des Lammes. Die menschlichen Figuren in der Stadt sehen wie Spielfiguren eines „Mensch-ärgere-dich-nicht“ aus, nach anderer Lesart hat der Glasmaler Pauli hier drei Tore mit oben aufgesetzten Riesenperlen darstellen wollen. Die Strukturen um die Stadt erinnern an elektrische Schaltkreise. Diese Reduzierungen – man kann auch Entfremdungen sagen – waren typisch für die Kunst der 1960er Jahre, Pauli hat diese Schaltkreise in Ahlen und in Messinghausen zur Perfektion getrieben.

Eine etwas andere Darstellung findet man im nördlichen Kirchenseitenschiff, das 1967 in Erinnerung an den Dechant Paul Tücking gestaltet wurde. Im rundbogigen Fensterabschluss ist oben ein Segment gesetzt, das die heilige Stadt gerahmt von zwei Bäumen zeigt, den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis. Die Stadt ist ebenfalls quadratisch, gut zu sehen sind je drei Tore an den vier Seiten. Was sich in der Mitte befindet, ist in der Kirche kaum zu erkennen, denn das Fenster, in dem lediglich etwas Blau zu finden ist, wurde in Schwarz und Grau recht dunkel gestaltet. Es sind wieder die eigenartigen Dreiecke, die wir schon von der früheren Arbeit des Künstlers kennen.
Alle drei Fenster sind aus Antikglas, Blei und Schwarzlot. Sie stammen von Franz Pauli (1927-1970) und wurden in der Werkstatt H. Oidtmann fertiggestellt.

Helmut Fußbroich: Arbeiten des Glasmalers Franz Pauli im nordwestlichen Kölner Umland, in: Pulheimer Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde, 5, 1981, S. 48-77.
Peter Schreiner: Die Abteikirche St. Nikolaus und St. Medardus in Brauweiler, Pulheim 1994.
200 Jahre Pfarrgemeinde St. Nikolaus Brauweiler, Pulheim-Brauweiler 2004.
Peter Schreiner, Monika Tontsch: Die Abteikirche St. Nikolaus und St. Medardus in Brauweiler, Pulheim 2011.

 

tags: Rheinland, NRW, Franz Pauli, Schaltkreise, Abtei, Werkstatt Oidtmann
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