
Guillaume de Digulleville: Pélerinage Cod. gall. 30 (1348)
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Claus Bernet
- September 20, 2021
Auf das Jahr 1348 wird eine Ausgabe der „Pélerinage de la vie humaine“ des Guillaume de Digulleville (1295-1358) aus der Bayerischen Staatsbibliothek München (Cod. gall. 30) geschätzt. Sie ist damit die älteste Pélerinage-Edition außerhalb Frankreichs und vermutlich noch zu Lebzeiten des Verfassers erschienen. Für die Wissenschaft ist sie hinsichtlich der Entwicklungen der Bebilderung also von besonderem Interesse. Diese frühe Ausgabe der Pélerinage ist noch zurückhaltend koloriert, was sich jedoch bald ändern sollte. Das Himmlische Jerusalem ist in dem Band auf einer Miniatur auf fol. 1r und zwei Miniaturen auf fol. 2v zu finden. Auf den Pergamentseiten machen die Abbildungen nur wenige Zentimeter aus, das übrige der Seiten ist altfranzösischer Text.
Die erste Abbildung zeigt den Pilger auf einer Liege, als ihm das Neue Jerusalem im Traum erscheint. Diese, wie auch die folgenden Miniaturen, sind von üppigen gotischen Ornamenten gerahmt, die manchmal selbst den Eindruck einer Illusionarchitektur erwecken.
Fol. 2v präsentiert zunächst die von Bauten schier überbordende Gottesstadt, vor der rechts ein Engel mit Schwert Wache hält. Sie illustriert die Stelle im Pilgerroman, wo die Mönche beginnen, in die heilige Stadt einzudringen und diese ihren Schutz verstärkt. Die Illustration zeigt, dass es sich nicht um eine Grisaille handelt: manche der Dächer sind blau, andere rot, wie auch die Krone des Engels. Bemerkenswert ist auch die Rahmung der Miniatur, die Architekturelemente aufnimmt, wie Pfeiler, Filialen, Türme und Zinnen.
Die folgende Miniatur bringt eine weitere Szene aus der Pélerinage, als einige arme Seelen an der rechten Seite Einlass in die Stadt erflehen. Die drei Heiligen auf der Mauerkrone der Stadt, an die sie sich richten, sind geistliche Würdenträger. Die armen Seelen besitzen Flügel, sind aber keine Engel. Der Roman erzählt davon, dass sich Mönche Flügel anklebten, um schneller und leichter in die Stadt zu gelangen, was jedoch misslang.
Michael Camille: The illustrated manuscripts of Guillaume de Deguileville’s Pelerinages (1330-1426), Cambridge 1985.
Sabine Morgen: Bildprogramm und Text. Zur Illustration des ‚Pèlerinage de vie humaine’ von Guillaume de Déguileville in den Handschriften Cod. Gall. 30 und Cod. Pal. Lat. 1969, Freiburg i. Br. 1993.
Ulrike Bauer-Eberhardt: Die illuminierten Handschriften französischer Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek, Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München, Bd. 7, Wiesbaden 2019.