Der Paderborner Dom St. Marien besitzt den Margarethenaltar, einen spätgotischen Flügelaltar mit einer Darstellung des Weltgerichts um 1500. Angefertigt wurde er durch Gert van Loon (auch van Lon, geb. um 1465 in Geseke/Westfalen, gest. 1521 oder später), einem deutschen Malermeister. Man kennt von diesem Meister noch einen Hochaltar des Benediktinerinnenklosters Willebadessen, eine Altartafel für St. Joest in Lemgo und gut zwanzig weitere Gemälde. Das Wikipedia-Urteil ist vernichtend (2021): „In dem ihm zugeschriebenen Spätwerk ist ein massiver Qualitätsabfall seiner ohnehin schon mäßigen Leistungen festzustellen, was die Vermutung nahelegt, dass er die Arbeiten von nur unzureichend ausgebildeten Schülern ausführen ließ. Nicht auszuschließen ist, dass die Werkstatt auch von einem Nachfolger unter seinem Namen weitergeführt worden ist, der sich stilistisch an ihm orientierte“.
Das gilt nicht für den Paderborner Weltgerichtsaltar, die vielleicht beste seiner Arbeiten. Die schweren Beschädigungen, vor allem das teilweise Abblättern des vergoldeten Hintergrunds, sollen nicht über die Qualitäten dieser Malerei hinwegtäuschen. Die Himmelspforte findet man ganz links auf der Mitteltafel, von wo sie sich vom oberen bis zum unteren Rand zieht. Der Bau mit zahlreichen Details ist ein stilistischer Zwitter zwischen Gotik und Renaissance; das gotische Maßwerkfenster, der Türschmuck der Pforte oder auch die gemalten Schnitzereien des Throns gegenüber sind bereits vom Flamboyantstil mit beeinflusst. Hinter der Pforte erheben sich mehrere Stockwerke eines Bauwerks, in dessen Arkaden Engel und Gerettete versammelt sind, fast gleich wie auf einem Weltgericht aus der Kunsthalle Karlsruhe, ebenfalls um 1500. Es wird musiziert und gesungen, die Szenerie ist fröhlich, eine neue Zeit bricht an. Die Gestaltung des Turmes war eine Modeerscheinung, der Aufbau geht auf eine Ausgabe von Werner Rolevincks „Fasciculus temporum“ (1480) und diese kopierende Wandmalereien zurück.
Vor der Pforte drängen sich viele Menschen zur rettenden Stadt, wie wir es auch von anderen Weltgerichtsaltären kennen (Stefan Lochner, Hans Memling). Von dort hat van Loon auch die besorgte Gestik und Physiognomie der Engel und des Petrus übernommen, die gar nicht zu der Szene passt, denn der Einzug in das Himmlische Jerusalem sollte eine freudige Angelegenheit sein, Angst und Schrecken sind überwunden.
Michael Wessing: Gert van Lon. Ein Beitrag zur Geschichte der spätgotischen Malerei Westfalens, Frankfurt am Main 1986.
Alfred Stange: Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, 1: Köln, Niederrhein, Westfalen, Hamburg, Lübeck und Niedersachsen, München 1967.