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Relief aus Sankt Andreas in Braunschweig (um 1480)

Diese Skulptur zeigt eine Gerichtsszene in der üblichen Dreiteilung, wie sie im 15. Jahrhundert oft vorzufinden ist, sei es in Bibelausgaben, auf Altargemälden, oder, wie hier, als Steinrelief. In der Mitte befindet sich der thronende Christus auf einer Weltkugel, von einer Mandorla umschlossen. Eine Besonderheit: Die Mandorla ist hier von einem Wellenband umschlossen, das weit verbreitet war und Wolken darstellen soll. In allen anderen mir bekannten Fällen findet man dieses Band immer an der Himmelspforte, niemals an der Mandorla (am Tympanon von Ochsenfurt, auf einer Würzburger Tafelmalerei, auf dem Rostocker Dreikönigsaltar).
Aus dem Mund von Christus erwächst eine Lilie und ein Schwert: eine Symbolik aus der Apokalypse. Links neben Christus ist das Neue Jerusalem als Himmelspforte positioniert, in die gerade Petrus (die größere, gebückte Figur) einige Gerettete einlässt. Rechts befinden sich einige Verdammte in der Hölle. Im Falle der Skulptur aus der evangelisch-lutherischen Kirche Sankt Andreas in Braunschweig haben sich noch Spuren der einstigen Farbfassung erhalten. Der einfache Stabrahmen, der Madonnenmantel und die Mandorla weisen Spuren von Türkis auf, die Türfassung der Pforte war einst vergoldet, die Bekleidung Christi besitzt Spuren einer roten Ochsenblutfarbe. Das gesamte Relief sah einst aus wie eine kostbare Schnitzerei aus Holz und nicht wie aus lokalem Kalkstein. Datiert ist es um 1480, als solche Gerichtsdarstellungen in Mitteleuropa massenweise hergestellt wurden, man denke etwa an das Berliner Gebetbuch (MS Germ. oct. 270, fol. 80v) oder Brevier des Meisters des Otto van Moerdrecht (MS Germ. qu 42, fol. 18v) mit vergleichbaren Darstellungen, in Stein hat sich aus dieser Zeit das Epitaph von Hermann Schedel (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) erhalten.
Für welchen Zweck das Relief in Braunschweig angefertigt wurde, ist nicht eindeutig erwiesen. Es könnte für einen Altarsockel ebenso hergestellt worden sein wie für ein Grabdenkmal oder ein Epitaph. Heute befindet es sich an der linken, nördlichen Seite des Mittelschiffs.

 Ev.-lutherische St. Andreaskirche Braunschweig-Wollmarkt, Braunschweig 1965.
Reinhard Dorn: Mittelalterliche Kirchen in Braunschweig, Hameln 1978.
Peter Albrecht, Henning Steinführer (Hrsg.): Die Türme von Sankt Andreas zu Braunschweig, Hannover 2009.

 

tags: Braunschweig, Spätmittelalter, Weltgericht, Sandstein, Pforte
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