
Die Staatsbibliothek zu Berlin besitzt unter der Signatur MS Germ. oct. 270 ein Meisterwerk der spätmittelalterlichen Buchmalerei. Leider sind der Maler, der genauere Entstehungshintergrund ebenso unbekannt wie das Entstehungsjahr. Wissenschaftler schätzten die Entstehung auf das Jahr um 1465, als Flandern, wo diese Arbeit angefertigt wurde, ein blühendes Handels- und Kunstzentrum des Buchmarkt gewesen war. Hinter der Signatur MS Germ. oct. 270 verbirgt sich ein Gebetbuch, welches vermutlich einst im Besitz eines Adeligen oder einer Adeligen war. Die teilvergoldeten Illustrationen sind eigenständig und einfallsreich, auch auf fol. 80 verso. Dort befindet sich eine Miniatur in Abhängigkeit mit den Entsprechungen aus dem Pembroke-Stundenbuch und dem Brügger Stundenbuch, die beide ebenfalls um 1465 entstanden sind.
Die Illustration zeigt ein Weltgericht, in dessen Mitte Christus Pantokrator auf einem Regenbogen thront. Zu seinen Seiten rufen zwei blaue Engel zum Jüngsten Gericht. Unten links ist ein Triumphtor gesetzt, in welchem Petrus einige Auferstandene empfängt. Diese hatten noch keine Zeit, sich in Gruppen zusammen zu finden, sondern sie mühen sich gerade aus ihren Gräbern. Der Bau besteht aus zwei niedrigen, gleichen Seitentürmen mit einem Satteldach dazwischen. Die ausladende Treppe davor, die wie ausgeklappt aussieht, ist ebenso markant wie die blauen Dächer, die man oft auf Miniaturen des 15. Jahrhunderts findet. Dem Tor gegenüber ist ein höchst eigenwilliges Höllenmonster gesetzt, dessen große Augen und offener Rachen seine Wirkung nicht verfehlen und das überhaupt dem Himmelstor bereits bedenklich nahe gekommen ist.