Andrés de Olmos (um 1485-1571): Fresken aus Tecamachalco, Mexiko (um 1550, 1562)
Zu sehen sind Malereien der Kappen und Medaillons im Chor der ehemaligen Franziskanerkirche Tecamachalco in Puebla im heutigen Mexiko. Diese Klosteranlage diente einst der Ausbildung junger Mönche zu Missionszwecken. Die Deckenmalereien, ausgeführt über einen mehrjährigen Zeitraum von etwa 1550 bis 1564, finden sich genau unter dem Beichtstuhl und dem Taufbecken. Mit diesen stehen sie in einem korrespondierenden Verhältnis: Wer unten zur irdischen Kirche gehört, wird einst oben in das himmlische Jerusalem einziehen.
Signiert wurden die Malereien mit „J. G.“, Juan Gerson. Lange Zeit glaubte man, das Werk eines europäischen Künstlers vor sich zu haben. Erst 1964 wurde die indianische Identität Gersons nachgewiesen. Das Bildprogramm mit Motiven der Apokalypse geht aber nicht auf Gerson, sondern wahrscheinlich auf Bruder Andrés de Olmos (um 1485-1571) zurück, einen Grammatiker, Hexenverfolger und Exorzisten. Dieser schloss sich den Franziskanern in Valladolid an und begleitete 1527 Bruder Juan de Zumárraga (um 1468-1548) nach Neuspanien. Andrés de Olmos lehnte sich eng an europäische Vorbilder an. Die Kappenmalerei hat zum größten Teil europäische Holzschnitte und Kupferstiche aus zeitgenössischen Bibelausgaben zur Vorlage. Sie bezieht sich auf die Wittenberger Bibel von 1522, in der die Apokalypse in ganz ähnlicher Weise in ein Bildprogramm unterteilt ist wie bei den Fresken von Tecamachalco, und natürlich auf Holbeins Apokalypsezyklus von 1523.
Die Darstellung speziell des Himmlischen Jerusalem ist jedoch eine recht freie Darstellung der Franziskaner vor Ort und belegt die einzigartige Symbiose von europäisch-deutscher und mesoamerikanischer Kunsttradition. Die Bauten etwa sind blockartiger, schematischer und stilisierter als auf allen europäischen Vorlagen, und bei den Figuren hat man sich bei dem Engel an einer indigenen Physiognomie angelehnt. Betrachten wir die alte Welt ganz unten im Bild: Hier hat sich der Maler in einzigartiger Art und Weise an mexikanischen Pueblobauten seiner Heimat orientiert.
Bei dem Medaillon, datiert auf 1562, waren die Vorlagen die „Postillae Perpetuae“ des Nikolaus von Lyras von 1485 sowie die „Textus Bibliae“ von 1527. Der mittige Tempel, den es im Neuen Jerusalem eigentlich gar nicht gibt, ist eine Übernahme aus einem Holzschnitt von Hans Holbein I. (nach 1497-1543) aus dem Jahre 1539. Warum wir hier immer wieder gerade auf den Protestanten Holbein treffen, muss noch weiter erforscht werden. Trotz oder gerade wegen der verschiedenen Vorlagen ist hier aber durchaus ein eigenständiges Werk entstanden. Da die Vorlagen nicht koloriert waren, konnte der Maler eigene Lösungen finden. Er wählte ein helles Türkis im Kontrast zu den rosafarbenen Stadtmauern, der Turmbau des Tempels und ein Häuserblock rechts wurden weiß belassen.
George Kubler: Mexican architecture of the sixteenth century, 2, New Haven 1948.
Rosa C. Arredondo, Jorge Gurria Lacroix, Constantino R. Valerio: Juan Gersón, Tlacuilo de Tecamachalco, México 1964.
Monika Niedermeier: Problemas de aculturación en la iconologia franciscana de Tecamachalco, in: Wilhelm Lauer, Erdmann Gormsen (Hrsg.): Comunicaciones proyecto Puebla-Tlaxcala. Primer simposio, Puebla 1973, S. 113-116.
Maria Elena Landa Ábrego: Juan Gerson, tlacuilo, (Mexiko-Stadt) 1992.
Monika Niedermeier: Finalidad y función de modelos gráficos europeos. El ejemplo del ciclo de Juan Gerson en el convento de Tecamachalco, Puebla, in: Helga von Kügelgen (Hrsg.): Herencias indígenas, tradiciones europeas y la mirada europea, Frankfurt am Main 2002, S. 95-121 (Ars Iberica et Americana, 7).
Claus Bernet, Michael Foerster-Espirel: Das Himmlische Jerusalem in der Renaissance, Norderstedt 2012 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 5).
Beitragsbild: Instituto Cultural Cuetzpaltzin