Herold der Wahrheit, Teil 1: Jerusalem-Abbildungen bis zum Ersten Weltkrieg
„Herold der Wahrheit“ lautete der Titel einer deutschsprachigen Zeitschrift, welche von Adventisten in Hamburg herausgebracht wurde. Maßgeblich beteiligt war Ludwig Richard Conradi (1856-1939), der zahlreiche der Beiträge verfasste. Wer hingegen die Zeichnungen beisteuerte, ist bei kaum einer der Illustrationen bekannt geworden. Stilistisch lassen sich wohl einzelne Abbildungen einem kleineren Kreis von drei bis fünf Mitarbeitern zuordnen; auch die Übernahme aus amerikanischen Publikationen der Adventisten wäre noch genauer zu prüfen. Jedenfalls war der „Herold der Wahrheit“ eine derjenigen Zeitschriften in Deutschland, in denen bislang die meisten Abbildungen mit dem Himmlischen Jerusalem erschienen.
Die erste Abbildung des Himmlischen Jerusalem aus dem „Herold der Wahrheit“ sieht noch relativ bescheiden und unspektakulär aus. Sie stammt aus Band 27, Heft 13, vom 4. Juli 1910, Seite 97, und zeigt ein ,,Einwegebild“: also einen Weg, auf dem Fromme dem Himmlischen Jerusalem entgegenkommen. Dabei ist es eine Weiterentwicklung der Coverillustration zu „Waymarks to the holy city“ von 1893. Sie passieren am Wegesrand mehrere heidnische Altäre und Götzen (Symbole für Weltreiche), die sie vom Weg abzubringen drohen. Ziel der Reise ist das Haupttor in der Mitte der Stadtmauer, hinter der die Dächer und Kuppeln zahlreicher Bauten erscheinen.
Eine weitere Illustration dieser Zeitschrift zeigt Johannes auf Patmos in Manier eines Propheten vor der Stadt Jerusalem. Der Engel im Reformkleid (vgl. „Das Neutestamentliche A B C-Buch“ von 1906) verweist noch deutlich auf die Formensprache des Jugendstils. Diese Zeichnung stammt nicht aus den USA, man findet sie aber später auch in vielen amerikanischen Publikationen der Adventisten. Signiert ist sie mit M. R. & G., Leipzig. Entnommen wurde sie der Herold-Ausgabe vom 20. Juni 1910, Band 27, Heft 12, S. 89.
Diese künstlerisch traditionell gehaltene Zeichnung erschien noch 1910, nämlich in Band 27, Heft 17, vom 5. September 1910, Seite 129. Sie zeigt die Himmelsstadt in einer typisch adventistischen Art und Weise: Wenige Striche markieren die Bauten der Stadt, Bewohner und Engel fehlen, oben grenzt ein Strahlenkranz, unten ein Wolkenband die Stadt ab. Eine Gruppe von alttestamentlichen Propheten findet sich im Vordergrund ein. Das Zelt deutet auf die Stiftshütte, eine Thematik, die kurz zuvor 1911 in einem Bild aus „Das Geheimnis enthüllt“ aufgegriffen worden war.
Hier haben wir eine Titelvignette, die links die Sonne und rechts das Neue Jerusalem zeigt. Die Stadt erscheint über den Wolken, einzelne Bauten sind zu erkennen, aber kein Tempel, wie es ja auch die Johannesoffenbarung beschreibt. Bildmittelpunkt ist nicht etwa Christus, sondern ein Herold mit einer Trompete, der selbstbewusst auf den Namen der adventistischen Zeitschrift verweist: „Herold der Wahrheit“.
Das Motiv der Himmelspforte ist an sich nicht gerade häufig unter Adventisten vorzufinden, die lieber gleich die ganze Stadt mit ihren Bauten und Lichtkranz zeigten. Die hiesige Schwarzweiß-Zeichnung eines nicht bekannten Künstlers ist dem Cover einer Sondernummer des „Herold der Wahrheit“ zum Advent 1911 entnommen (Band 28). Es ist eine doch recht komplexe Präsentation einer Himmelspforte: sie erscheint auf den ersten Blick symmetrisch, ist es jedoch nicht, wie man an den unterschiedlichen Seitentürmen erkennen kann (der rechte Turm ist geringfügig schmaler). Ungewöhnlich ist auch die Beschriftung des Tores mit „Offb. 22, 14“, wie auch die Vegetation durch Blätter an drei Seiten der Pforte.
1916 präsentierte der Herold seinen Lesern und Leserinnen letztmalig ein Himmlisches Jerusalem. Der „ewige Tierfriede“, ein Motiv aus dem Alten Testament, wird hier im Vordergrund mit einer indisch anmutenden Stadtdarstellung des Himmlischen Jerusalem im Hintergrund zusammengefügt. Man sieht fremdländische Bäume und exotische Tiere, wie etwa Elefanten. Vermutlich stammt diese Zeichnung aus den USA und ist im Umkreis adventistischer Künstler entstanden. Das Original wird farbig gewesen sein. Gedruckt findet man die Illustration erstmals in Band 33, Heft 4, des Jahres 1916 auf Seite 57 der Zeitschrift „Herold der Wahrheit“.