MS Français 829: Guillaume de Digullevilles „Pélerinage de la vie humaine“ (um 1404)
Um das Jahr 1404 entstanden diese fünf Abbildungen aus der Französischen Nationalbibliothek in Paris, Signatur MS Français 829, fol. 1r, 1v und 2v (zwei Abb.) sowie 124r. Diese hochwertige Ausgabe der Pélerinage nach einem Text des Guillaume de Digulleville ist in weiten Teilen eine Kopie von MS Français 377 (um 1395) aus der gleichen Bibliothek. Ausführende Miniaturisten sind ebensowenig bekannt wie die Werkstatt, in der diese Pretiose entstanden ist.
Eine Besonderheit ist sicherlich, dass die Vision mit dem Himmlischen Jerusalem im Standspiegel hier zwei Mal gezeigt wird, einmal auf der Eröffnungsminiatur fol. 1r sowie erneut in kleinerer Form auf fol. 1v, und zwar in ähnlicher Gestalt mit einer mittigen Kathedrale, die von zahlreichen Türmen umrundet ist. In beiden Fällen ist der gesamte Spiegel mit Türmen, Toren und anderen Bauten überzogen und passt sich kreisförmig in das Tondo ein. Art und Weise der Miniaturen verraten: Es gab einen Meister für die Eröffnungsminiatur und weitere Maler für die folgenden Miniaturen weiter hinten im Band.
Bemerkenswert sind auch die zwei weiteren Abbildungen, die sich beide auf fol. 2v finden. Die erste Miniatur mit blauem Hintergrund zeigt Petrus vor einem Kirchenbau, der hier für das Himmlische Jerusalem steht. Die zweite Miniatur mit dem roten Hintergrund zeigt die Stadt als massives Tor, bewacht von einem Engel mit Flammenschwert. Diese Form der Repräsentation ist ohne Vorbild und an einen antiken Triumphbogen angelehnt. Sie gehört zu der Szene im Roman, wo Guillaume de Digulleville schildert, wie die gewitzten Mönche versuchen, sich an Seilen nach oben in die Stadt ziehen zu lassen.
Ein letzte Miniatur fol. 124r ähnelt der ersten Szene von fol. 2v. Es ist der Tag des Jüngsten Gerichts mit der Totenauferstehung, die links gezeigt wird. Der Schutzraum des Neuen Jerusalem erscheint erneut als Kirche. Diesmal ist die Dachzone nicht beschnitten, sondern ein Turm ragt sogar weit über den Bildrand hinaus nach oben. Obwohl die Illustrationen zu Beginn des 15. Jahrhunderts entstanden, wurde darauf verzichtet, üppigen gotischen Formschmuck zu zeigen; die Architektur wirkt zeit- und stillos im besten Sinne.
829. Le rommant du Pelerinage du corps et l’ame, appellé le Pelerin, in: Bibliothèque impériale – Département des manuscrits. Catalogue des manuscrits français, 1, Paris 1868, S. 91-92.