Adriaen Isenbrant (1480-1551): Drei Ölmalereien der Maria Immaculata (um 1530 und spätes 16. Jh.)
Adriaen Isenbrant war ein flämischer Maler, der ab 1510 nachweisbar in Brügge arbeitete und 1551 dort verstarb. Keines seiner Werke ist signiert, so dass viele Unsicherheiten und Zuschreibungen existieren. Seinem Schaffen wird ein Marienaltar zugeschrieben, der sich seit 1862 im Polnischen Nationalmuseum in Warschau befindet. Das dreiflügelige Kunstwerk, eine Malerei in Tempera, hat eine Gesamtgröße von 112 x 72 Zentimetern. Das Mittelteil des Triptychons zeigt Maria, umgeben von zahlreichen ihrer Symbole.
Links von ihr ist eine komplexe Himmelspforte zu finden, die bereits einer Stadtanlage ähnelt, aber dank einer lateinischen Aufschrift als Pforte identifiziert werden kann. Die aufgesetzte kleingeschriebene Inschrift „porta celi“ ist wegen ihrer Goldfarbe kaum zu erkennen. Die Anlage imitiert Marmor, das offene Tor ist vergoldet.
Die Civitas Dei befindet sich demnach auf dem Bild unten rechts. Hinter niedrigen Festungsmauern erheben sich zahllose Gebäude, die ganze manieristische Stadt ist angefüllt mit Toren, Türmen und Kuppeln, teilweise in Fantasiearchitektur: So scheinen die Türme in Abendmahlskelche überzugehen. Dann wieder findet man rechts einen realistischen Kirchenbau. Es handelt sich dabei um die Jerusalemkirche in Brügge aus dem 15. Jahrhundert, die ein wohlhabender Pilger nach der Grabeskirche von Jerusalem gestalten ließ.
Jean C. Wilson: Adriaen Isenbrant reconsidered, Johns Hopkins University 1983.
Eine weitere, undatierte Ölmalerei der Maria Immaculata wurde ebenfalls Adriaen Isenbrant zugeschrieben. Auch hier handelt es sich um das Mittelteil (96 x 53 Zentimeters) eines Triptychons. Dieses befand sich einst in der Sammlung Faure und wurde 2016 vom Auktionshaus Christie’s für 277.500 Euro versteigert. Himmelspforte und Gottesstadt befinden sich an der gleichen Position wie bei dem Gemälde aus Warschau, sind aber etwas anders dargestellt. Schon die Farbgebung ist anders. Hier haben wir ein mattes Rot, vielleicht auch ein Weiß, das in der Abendsonne rötlich schimmert. Die Bauten sind weniger detailfreudig ausgearbeitet. Die Himmelspforte ist wieder ein mächtiger rechteckiger Torturm, dem ein Rundturm aufgesetzt ist (vgl. das Fresko aus Sint Genoveva in Zepperen). Weggefallen ist die Vergoldung, auch die Beschriftung ist lediglich ockerfarben. Die Gottesstadt zeigt sich hinter einer niedrigen Anhöhe, die ihre Stadtmauern möglicherweise verdeckt. Die Silhouette wird von einem mächtigen antikisierten Tempel dominiert, der vermutlich wieder die Grabeskirche markieren soll.
Mit zeitlichem Abstand entstand im späten 16. Jahrhundert eine Fassung, die noch einmal auf Isenbrants Marienaltar (Nationalmuseum Warschau) Bezug nimmt und von einem Schüler oder Nachfolger geschaffen wurde. Die kleinformatige Ölmalerei auf Eichenholz in der Größe 42 x 30 Zentimeter galt zunächst als ein Nachfolgewerk von Gerard David (geb. um 1460, gest. 1523), einem altniederländischen Meister, der aber, soweit bekannt, weder die Maria Immaculata noch das Neue Jerusalem jemals thematisch aufgegriffen hat. Hergestellt wurde die Ölmalerei nachweislich in Brügge. Die Ausführung ist einfach – es war eine billige Malerei vermutlich für einen sparsamen bzw. verarmten Adeligen oder Geistlichen. So etwa ist die verdunkelte Civitas Dei an der rechten Seite des Gemäldes kaum zu erkennen, auch wenn man zugutehalten muss, dass dieses Gemälde vermutlich noch nie restauriert wurde. Die Stadt ist ganz in die bläulich-grüne Färbung des Hintergrunds getaucht. Zwei Türme und Dächer lassen sich oben erkennen, während der untere Teil durch das Schriftband verdeckt ist, welches auch über der Stadt noch genügend Platz gefunden hätte. Die darüber gesetzte falsch geschriebene „Porta Coelis“ (richtig wäre „Porta Coeli“) ist eher ein weißer Block, auf Einzelheiten der Fassade wurde verzichtet. Hier wurde das Schriftband so gesetzt, als wäre es eine Inschrift im Dreiecksgiebel. Darunter wird es interessant: Es schimmert golden. So lässt sich eine goldene Rahmung erkennen, aber auch in der Türfüllung sind goldene Linien eingezeichnet, ohne dass aber eine Figur oder etwas Erkennbares entstehen würde. Die Existenz dieser Malerei war viele Jahrhunderte nicht bekannt, erst 2016 wurde das Ölgemälde vom Auktionshaus Christie’s versteigert. Es ist seitdem der Öffentlichkeit und der weiteren wissenschaftlichen Erforschung nicht mehr zugänglich.