Rudolf Yelin (1902-1991): Altarwand der Martinskirche in Geislingen-Altenstadt (1967)

Von Rudolf Yelin (1902-1991) gibt es eine kleine Serie monochromer Sakralkunstwerke. Anders als seine leuchtenden Buntglasfenster haben diese Werke weniger Beachtung gefunden, viele Beispiele wurden inzwischen abgerissen oder verändert. Überlebt hat – im Originalzustand – neben den Werken in Enzberg (1963) und in Schwenningen am Neckar (1964) auch die Altarwand in der Martinskirche in Geislingen-Altenstadt (1967). Aus verschiedenen Gründen ist es besonders eindrucksvoll und markiert gleichzeitig den Höhe- und Schlusspunkt dieser Serie, gleichzeitig war es immer umstritten.

Rudolf Yelin gestaltete die Kirche über den Winter 1966/67 grundlegend nach seinen Vorstellungen um. Auch hier trat er als konsequenter Kunstvernichter und Neuschöpfer in Erscheinung: Jugendstilmalereien von 1904, Holzbänke, Skulpturen: alles wurde entfernt, abgeschlagen, übermalt. Yelin war begeistert, er sah sich als Neuschöpfer, der den ländlichen Gemeinden erstmals Kunst in die Kirchen brachte – selbstredend seine Kunst.
Was man sich von dem Neubau erhoffte, bleibt in den Quellen eher vage, mehrfach liest man von „Einheitlichkeit“ und „Modernität“, als ständen diese formalen Aussagen für Qualität. Die Gemeinde hat die Umgestaltung verhalten aufgenommen, der neue Innenbau wurde als kalt und steril aufgenommen.
Die Musterung und die Motive der Altarrückwand ergeben sich ausschließlich aus den unterschiedlich gesetzten Backsteinen, die alle einheitlich weiß verputzt wurden. Sie treten allerdings nicht weit aus der Wand hervor, so dass eine zurückhaltende, dezente Reliefgestaltung erzeugt wird.

Von weitem sieht man lediglich den gerundeten Chorbogen mit dem hölzernen Kruzifix. Dieser Chorbogen soll, folgt man Yelin, wie ein Glorienschein über dem Altar liegen. Tritt man näher, erkennt man über Christus auf der Rückwand eine Raute mit zwölf Rechtecken, die für die Tore der Stadt stehen. Ob dieser Effekt gewollt war oder ob vielmehr ein Fehler in der Konstruktion vorliegt, muss offen bleiben. In einer zweiten, gleich großen Raute darunter sind die Buchstaben Alpha und Omega eingefügt.

Auf den Flächen dazwischen findet man vereinzelt Kreuze. Seitlich öffnet sich mit mehrfachen Durchbrüchen die Wand, und man versteht, dass diese Wand dem ehemaligen Chorabschluss vorgesetzt wurde, obwohl man die wenigen Getaltungsmerkmale, also die Tore und die zwei Buchstaben, ebensogut auf den ehemaligen Wandabschluss hätte anbringen können.

100 Jahre Martinskirche. Festschrift zum Jubiläum, Geislingen 2004.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Rudolf Yelin d. J., 1902-1991. Leben und Werk, Petersberg 2019.

 

tags: Chorgestaltung, Chorumbau, Württemberg, Rudolf Yelin, weiß, Alpha und Omega, Ziegelstein
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