Ladislav Záborský (1921-2016): Gemälde „Himmlisches Jerusalem“ (1972 und 1998)

Bei diesem Gemälde denkt man zunächst an abstrakte Kunst: Blaue und gelbe Rechtecke sind übereinander gesetzt – an und für sich nichts besonders, und inzwischen hundertfach so oder ähnlich aufgemalt; ganz ähnliche Werke kennen wir von Gabrielle Hollensett, Vera Gerling, Katharina Valeeva, Fritz Winte und vielen anderen. Unten links kann man jedoch zwei Figuren finden, eine in rotem Gewand und eine transparente Engelsgestalt. Dort ist das Bild auch signiert: „L. Záborský“.

Es handelt sich um den Maler Ladislav Záborský, der 1998 dieses 40 x 60 Zentimeter große Bild in Acryl fertigstellte. Der Titel: „Nebeský Jeruzalem“. Jetzt wird klar: Die beiden Figuren sind Johanns der Seher und sein Begleiter, der Engel, die hier das Niederkommen des Himmlischen Jerusalem bestaunen. Sie stehen direkt am braunen Ufer des tiefblauen Meeres, in dem sich die Stadt von oben spiegelt.
Ladislav Záborský (1921-2016), ein Maler, Illustrator und Dichter, hatte bei Martin Benka studiert, dem Mitbegründer der modernen slowakischen Malerei, sowie bei Gustáv Mallý und Ján Mudroch. Záborský hatte es nicht leicht: Wegen seines aktiv gelebten Christentums wurde er, nach erfundenen Anschuldigungen, von 1953 bis 1957 in verschiedenen Anstalten inhaftiert. Anschließend verbot man ihm seine weitere Ausübung des Gymnasiallehrerberufs, und Záborský begann als Buchillustrator, freier Maler und schließlich, nach Ende stalinistischer Verfolgung, auch als Kirchenmaler und Restaurator zu arbeiten. Er wurde dabei immer erfolgreicher und fand mehr und mehr Anerkennung, 1968/69 hielt er sich zu Studienaufenthalten in Paris und in der Bretagne auf, auch kam es seit den 1960er Jahren zu regelmäßigen Einzelausstellungen. Er war dezidiert kein Vertreter der abstrakten Malerei, sondern fast alle seine Bilder haben eine christliche Botschaft, thematisieren oft biblische Geschichten, die eng mit seinem Leben verbunden sind: „Schon in der Haft tröstete mich die Vision von Gottes Liebe, sein Versprechen, Tränen abzuwischen und uns zu beherbergen. Von Oktober bis November 1954 habe ich erstmals die gesamte Johannesoffenbarung studiert und wusste Passagen auswendig. Das Himmlische Jerusalem soll ein Hoffnungsbild sein, ich habe es mehrfach ausgeführt. Links habe ich eine winzige kleine menschliche Figur eingefügt, mit der sich jeder Betrachter identifizieren soll, daher absichtlich keine Gruppe oder eine Massenszene. Er wird von einem weißen Engel durch das Tor in die Stadt begleitet und wird dann ihre Herrlichkeit sehen. Wir stehen noch außen und sehen lediglich die ‚Verpackung‘, die Fassade, die einen gewissen Vorgeschmack geben mag, aber noch lange nicht das ist, was Unvorstellbar, nicht Darstellbar, Unübertroffen sein wird“ (Ladislav Záborský, übers. M. Nagyová). 

 

Eine ältere Fassung, laut Záborský von 1972, lässt weiße Architektur in einem blauen Streifen über dem dunkelbauerem Meer erscheinen. Markant ist das goldgelbe Rechteck, vielleicht eine Tür oder göttliches Licht, das nach außen drängt. Figuren sind auf dieser Fassung noch nicht vorgesehen; der Künstler betrachtete sie als Studie zu seiner späteren Ausführung.

Martin Šafárik: Ladislav Záborský, Bratislava 2016.

 

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