Die heutige evangelische Petrus-Kirchengemeinde in Kassel-Kirchditmold besitzt mehrere ältere Paramente, die heute nicht mehr verwendet werden. Unter diesen aussortierten Stücken befindet sich auch ein Altar-Antependium der Farbe Lila. Das Kunstwerk im typischen 1960er-Jahre-Design wurde um 2010 durch eine moderne Arbeit ersetzt, die von einem Mitglied der örtlichen Gemeinde angefertigt worden ist.
Anneliese Keller bleibt eine Unbekannte. Arbeiten dieser Künstlerin sind selten, etwa besitzt die evangelisch-lutherische Kirche Zur Himmelspforte in Hohegeiß noch vier Paramente von ihr. Vieles, wie Lebensdaten, Ausbildung, Rezeptionsgeschichte, muss offen bleiben: Vielleicht arbeitete die Frau noch unter einem Künstlernamen oder sie hat einmal ihren Namen gewechselt? Auch war es damals durchaus üblich, dass die Weberinnen und Stickerinnen solcher Werke hinter dem Entwerfer, meistens ein Mann mit theologischer Ausbildung, zurückstanden oder zurückstehen mussten. Wie auch immer: die Arbeit ist von hoher Qualität, hier arbeitete jemand nicht zum ersten Mal.
In der Mitte des rechteckigen Textilkunstwerkes befindet sich das Lamm Gottes. Das entspricht zwar der textlichen Vorgabe, doch dieser gemäß müsste man auch die Häuser und Straßen sehen – das wird aber auf Antependien selten gezeigt, aus dem Grund, dass solche kleinteiligen Elemente sich auf Textilien schlecht darstellen lassen. So wird gerne zum Lamm gegriffen, wie auch auf ähnlichen Werken in Fornsbach (um 1965), Konstein (um 1970) oder Münchberg (um 1990). Nur an den Ecken dieses Werkes sind vielleicht Häuser angedeutet, mit dunkelblauen Fenstern und dreieckigen Dächern mit verschiedenartiger, abwechslungsreichen Dachstruktur. Dagegen sind die zwölf Tore gleich: schmale Rundbögen in einheitlichem Rosa ohne Schatten, Konturen oder Details.
Noch einmal zurück zu dem Lamm: ungewöhnlich, aber durch den biblischen Text begründet sind die sieben Hörner, die hier schlecht zu sehen sind, da sie die gleiche gelbe Farbe wie der Nimbus haben. Der Grund der Hörner ist theologisch unklar, man findet aber dieses seltene Detail gerade auch bei weiteren Werken der 1960er Jahre, etwa bei solchen von Henk Schilling, Franz Nagel oder Hans Gerhard Biermann. Bekannter ist der Lebensfluss, der hier vom Lamm ausgeht und in vier gebündelten Wellen in die vier Himmelsrichtungen fliest.
Werner Wölbing (Hrsg.): 200 Jahre Kirche Kirchditmold, Kassel 1992.
Walter Klonk: Zur Geschichte des Dorfes und heutigen Kasseler Stadtteils Kirchditmold, Kassel 2009.