
Das Ruhrgebiet hatte, explizit in Städten wie Essen oder Hagen, einen bedeutenden Bestand an Jugenstilbauten. Die meisten sind entweder im Krieg zerstört oder in den 1960er Jahren abgerissen worden. Wie durch ein Wunder hat die einst römisch-katholische Nikolauskirche in Essen-Stoppenberg den Krieg und den Abrisswahn der 1960er Jahre relativ unbeschadet überstanden, so dass man heute im Inneren eine der bedeutendsten Malereien im Stil der Beuroner Schule bzw. des frühen Jugendstils finden kann.
Erbaut wurde die Nikolauskirche 1906/07 durch den Kölner Architekten Carl Moritz (Vorbild: Konstantinbasilika in Rom). Die Innenraumgestaltung übernahm der Bildhauer Heinrich Pütz. Als der Bau am 17. Oktober 1907 feierlich eingeweiht wurde, war die Apsis bereits mit Christus Pantokrator als Richter auf einem Regenbogen ausgemalt, assistiert von den vier Evangelisten. Direkt unter dem Gewand von Christus (dessen Füße nicht sichtbar sind) erscheint ein Objekt, dass man in dieser ungewöhnlichen Form so schnell nicht wiederfinden wird: eine Art Brunnenstadt.
Im unteren Bereich erscheinen drei sich verjüngende Stockwerke, die unteren beiden sind rund, das obere anscheinend ein Hexagon. Jedes Stockwerk ist anders gestaltet: Bögen, quadratische Fenster, rechteckige Türen. Aufgesetzt ist dieser Plattform ein Monopteros, aber nicht im antiken Gewand, sondern im gotischen Stil! Bekrönt ist er von einem lateinischen Kreuz. In diesem Monopteros erscheint eine dreifache Fontäne mit goldenem Wasser. Das Wasser fließt dann an den Außenseiten der drei Stockwerke herab, bevor die Ströme sich in das umgebende Meer ergießen – es soll hier auf die vier Paradiesflüsse aus dem Alten Testament angespielt sein.
Vorbild dieser Malerei waren vor allem römische Mosaike, wie in San Giovanni in Laterano, wo ebenfalls in der Schnittachse der Apsis eine Darstellung von Christus, eine Taube, die Paradiesflüsse und etwas Jerusalemsarchitektur zu finden sind.
Die Malerei in Essen ist an keiner Stelle datiert oder signiert. Weder Moritz noch Pütz haben sie entworfen oder gar ausgeführt. Wer es letztlich war, ist bis heute nicht bekannt, da die Unterlagen darüber im Krieg verloren gingen. Eine frühere Zuschreibung an Heinrich Froitzheim aus Kevelaer hat sich als falsch erwiesen. Die souveräne Bildkomposition und die qualitätsvolle Ausführung lässt an einen erfahrenen Meister denken, wie Adolf Quensen, Otto Vittali oder Paulus Krebs.
Heinz Dohmen: Abbild des Himmels. Tausend Jahre Kirchenbau im Bistum Essen, Mülheim (Ruhr) 1977.
Anne Heinig: Die Krise des Historismus in der deutschen Sakraldekoration im späten 19. Jahrhundert, Regensburg 2004.