Jan Caspar Philips (1690-1775): Radierung „Wahrheit und Poesie“ (1740)

„Waarheid en Poëzie, vergezeld door Minerva, in gesprek bij een altaar“ lautet der Titel einer Radierung, also „Wahrheit und Poesie, begleitet von Minerva, im Gespräch an einem Altar“. Es war die hohe Zeit der Antikenbegeisterung: Heidnische Götter wurden mit christlichen Attributen dargestellt, die Religionen vermischt. An Kuriosem mangelt es in keinster Weise: Von einer Person, vermutlich Christus, werden der Teufel und mehrere fliegende Dämonen aus dem Tempel vertrieben. Das Gegenstück zu dieser Architektur ist das Himmlische Jerusalem links in der Ferne auf einer Anhöhe, zu der ein schmaler, gewundener Pfad führt. Zwei einsame Wanderer schreiten zu den drei Toren der Mauervorderseite. Die Stadt dahinter zeigt sich als gewaltige Pyramide, von einer noch gewaltigeren Gloriole umfangen. So oder auf ähnlicher Art wurde das Neue Jerusalem zur Mitte des 18. Jahrhundert gerne dargestellt, vgl. etwa die Kinderbibel von 1744.
Das eigentliche Ereignis spielt sich jedoch im Vordergrund ab. Drei Personen sind um einem Altar versammelt, dem in Niederländisch der Buchtitel dieses Frontispizes aufgeschrieben ist „Leerzaame zinnebeelden, en bybel-stoffen“ („Lehrsymbole und Bibelmaterialien“) von Govert Klinkhamer, einem Seidenhändler und Verfasser frommer Schriften. Man findet die 14 x 9 Zentimeter große Arbeit sowohl in der Erstauflage 1740 als auch im Nachdruck von 1756.

Die allegorische Figur des Glaubens, eine römische Priesterin und Minerva, Göttin des Wissens und der Weisheit, diskutieren über religiöse Wahrheit. In die Diskussion mischen sich auch himmlische Kräfte (der Putto rechts) wie auch dämonische Kräfte ein (der Teufel rechts unten). Die Idee dieser Arbeit wie auch die Ausführung („invenit et fecit“) geht auf Jan Caspar Philips (1690-1775) zurück. Philips stammt aus Deutschland, hatte sich aber in Amsterdam angesiedelt, wo dieser Stich hergestellt wurde. Viel aus seinem Leben ist nicht bekannt geworden: Vermutlich wurde er wie sein jüngerer Bruder im südhessischen Trebur geboren. Sein Vater war Hendrik Philips (gest. 1748), ein Perückenmacher, seine Mutter Anna Elizabeth Kraft (gest. 1753). Die Familie ließ sich in Voorburgwal nieder. 1725 wurde Jan Caspar Philips Lehrer des Kupferstechers Simon Fokke und seines Neffen Caspar Philips. Er steuerte Stiche zu Jan Wagenaars „Hedendaagse Historie“ bei (1738) und fertigte 1743 die Stiche für Kornelis de Wits „Verzaameling van Afbeeldingen van Doopsgezinde Leeraaren“ an. Er starb 1775 in der Egelantiersgracht.

Govert Klinkhamer: Leerzaame zinnebeelden, en bybel-stoffen, Amsterdam 1740. Amsterdam 1756 (2).
Charles Dumas: Jan Caspar Philips’s designs for frontispieces, in: Rudie van Leeuwen, Lilian Ruhe, David de Witt (Hrsg.): Not always Rembrandt. 37 studies in baroque art, Turnhout 2023, S. 138-149.

 

tags: Antike, Radierung, Allegorie
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