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Johann Amann ( 1695-1751): Katechetische Kinderbibel (1744)

In der Zeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts häufen sich auf einmal wieder die Zweiwegebilder. Ein frühes Exemplar ist in dieser Kinderbibel wiedergegeben. Vor einem steilen, etwas schematisch wirkenden Berg findet sich unten eine erste Mauer mit einem Tor, in welchem Christus steht. Ihm kommen auf einem der zwei Wege Pilger entgegen. Haben sie diese „enge Pforte“ durchschritten, geht ihre Reise allerdings weiter: Der Weg teilt sich erneut in drei ansteigende Pässe. Vor allem auf dem mittleren Weg schleppen Menschen Kreuze nach oben, nach einem Motiv von Maarten van Heemskerck. Dieser Steilpfad führt zu einer zweiten Mauer. Hinter dieser Mauer und seinen offenen Toren, auf denen Wächterengel positioniert sind, erhebt sich das eigentliche Neue Jerusalem. Eine Besonderheit der Zeichnung ist, dass sich der große Berg hinter der Stadt ungebrochen fortsetzt und gleichsam den Zionsberg der Stadt bildet: Auf der Spitze steht das Gotteslamm mit der Siegesfahne, dessen Strahlennimbus die neue Welt erleuchtet. Ähnlich findet man es auch bei David Hollaz, Friedrich Eberhard Collin oder Johanna Eleonora Petersen.

Wenn man es nicht wüsste, würde man diese Abbildung kaum für ein Blatt aus einer Kinderbibel halten. Eine kindgerechte Pädagogik hat es im 18. Jahrhundert in der Theorie kaum und in der Praxis erst vereinzelt gegeben. Es gab aber Bemühungen, so wie dieses anonym erschienene Werk „Catechetische Kinder-Bibel“. Der Text stammt von dem Geistlichen Abraham Kyburz (um 1704 -1765), die Abbildung auf Seite 2 von dem Schweizer Kupferstecher Johann Amann (1695-1751).
Kyburz (auch Kyburtz) ist eine obskure Gestalt des Pietismus, aus dessen Feder auch die Hetzschrift „Das entdeckte Geheimniß der Bosheit“ (1753) über eine pietistische Lebensgemeinschaft im Schwändital herrührt und diese verleumdet. Er selbst jedoch sah es als kein Problem, mit einem zehnjährigen Mädchen durch den Kanton Zürich zu ziehen und sie als inspiriertes Werkzeug göttlichen Willens auszugeben und davon zu profitieren. In seinen Heimatgemeinden Bümpliz, Schwarzenegg, Saanen und Thun wurde er als reformierter Pastor verschiedener Skandale wegen mehrmals abgesetzt und immer wieder eingesetzt. Schließlich trat er als Feldprediger im Siebenjährigen Krieg hervor, bis ihn die Preußen gefangen nahmen und damit vielleicht Schlimmeres verhinderten.

Isabelle Noth: Ekstatischer Pietismus, Göttingen 2005.

 

tags: Katechismus, Pilger, Kupferstich, Bibelausgabe, Zionsberg
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