Johann Amann: Katechetische Kinderbibel (1744)

In der Zeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts häufen sich auf einmal die Zweiwegebilder. Ein frühes Exemplar ist in dieser Kinderbibel wiedergegeben. Vor einem steilen, etwas schematisch wirkenden Berg findet sich eine erste Mauer mit einem Tor, in welchem Christus steht. Ihm kommen auf einem der zwei Wege Pilger entgegen. Haben sie diese „enge Pforte“ durchschritten, geht die Reise weiter: Der Weg teilt sich erneut in drei ansteigende Pässe, die zu einer zweiten Mauer führen. Hinter dieser Mauer und seinen offenen Toren, auf denen Wächterengel positioniert sind, erhebt sich das eigentliche Neue Jerusalem. Eine Besonderheit der Zeichnung ist, dass sich der große Berg hinter der Stadt ungebrochen fortsetzt und den Zionsberg der Stadt bildet: Auf der Spitze steht das Gotteslamm mit der Siegesfahne, dessen Strahlennimbus die neue Welt erleuchtet.

Wenn man es nicht wüsste, würde man diese Abbildung kaum für ein Blatt aus einer Kinderbibel halten. Eine kindgerechte Pädagogik hat es im 18. Jahrhundert in der Theorie kaum und in der Praxis erst vereinzelt gegeben. Es gab aber Bemühungen, so wie dieses anonym erschienene Werk „Catechetische Kinder-Bibel“. Der Text stammt von Abraham Kyburz (um 1704 -1765), die Abbildung auf Seite 2 von dem Schweizer Kupferstecher Johann Amann.
Kyburz (auch Kyburtz) ist eine obskure Gestalt des Pietismus, aus dessen Feder auch die Hetzschrift „Das entdeckte Geheimniß der Bosheit“ (1753) über eine pietistische Lebensgemeinschaft im Schwändital herrührt. Er selbst jedoch sah es als kein Problem, mit einem zehnjährigen Mädchen durch den Kanton Zürich zu ziehen und sie als inspiriertes Werkzeug göttlichen Willens auszugeben. In seinen Heimatgemeinden Bümpliz, Schwarzenegg, Saanen und Thun wurde er als reformierter Pastor mehrmals abgesetzt und wieder eingesetzt. Schließlich trat er als Feldprediger im Siebenjährigen Krieg hervor, bis ihn die Preußen gefangen nahmen und damit vielleicht Schlimmeres verhinderten.

Isabelle Noth: Ekstatischer Pietismus, Göttingen 2005.

 

tags: Katechismus, Pilger, Kupferstich, Bibelausgabe, Zionsberg
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