Maître de Papeleu: Apokalypsehandschrift „Somme le Roi“ (1295)

Die Miniaturen, die diese Apokpalypsehandschrift auszeichnen, zeigen noch Spuren der Romanik, sind überwiegen aber bereits im Stil der Gotik gehalten. Fol. 44v präsentiert im Kontext des Weltgerichts auch die Himmelspforte in das Neue Jerusalem. Romanisch sind noch der blockartige Aufbau des Bildes, was sich auch bei der Architektur der Pforte zeigt. Im unteren Bereich ist es lediglich ein schwarz gerahmter Block, links golden, rechts orangefarben.

So kennt man die Pforten etwa aus dem lateinischen Psalterium MS Cod. Lat. 3900 (1259), dem Hildesheimer Psalterium Feriatum (um 1240) oder dem Weltgerichtsfresko aus dem Dom Wiener Neustadt (1275-1300). In Abänderung zu diesen Kunstwerken ist hier der Giebel der Pforte mit Maßwerk und Krabben ein Werk der Gotik, wie es der Miniaturist auf vielen Kirchen seiner Umgebung sehen konnte. Gotisch ist selbstverständlich auch der vegetabile wie geometrische Schmuck, der an acht Stellen die Rahmung durchbricht. Diese und Merkmale auf anderen Miniaturen des Bandes lassen ihn auf 1295 datieren. Seit Verfasser war ein Bruder Laurentius, vermutlich ein Benediktinermönch aus der Abtei Saint-Denis, was auch für den Miniaturisten Maître de Papeleu zutreffen sollte. Auftraggeber war vermutlich König Philipp IV., genannt der Schöne, der sie später seinem Nachfolger König Philippe V. vermachte.
Heute ist der Band „Somme le Roi“ Teil der Handschriftensammlung der Bibliothek Mazarine in Paris, unter der Signatur MS 870-1. Diese Bibliothek im 6. Arrondissement ist die älteste öffentliche Bibliothek Frankreichs und steht etwas im Schatten der Nationalbibliothek, was dazu führt, dass ihre Handschriften, wie auch im vorliegenden Fall, weniger beachtet und erforscht wurden.
Ganz dem Mittelalter verhaftet ist der weitere Aufbau dieses Weltgerichts, aber doch mit einigen Besonderheiten. Typisch ist die Gruppe Geretteter vor dem Tor. Hier sind es einmal nicht Vertreter von Ständen, sondern individuelle Personen, von denen eine etwas vorwitzig ihren Fuß aus dem Bildrand schiebt. Auch hat man ihnen die Bekleidung belassen, im Gegensatz zu der Personengruppe rechts. Die Gruppe vor der Pforte ist von zwei Personen gerahmt, die etwa größer sind und mit einem Nimbus ausgestattet sind. Petrus und Paulus kämen in Frage, wobei bemerkenswert ist, dass dann hier Petrus einmal ohne seinen fast obligatorischen Schlüssel (der zahlreiche Bedeutungsebenen hat) präsentiert wird. Leider ist ein Teil der Szene durch eine Verschmutzung betroffen, so dass sich Details möglicherweise verloren haben. Weiter oben erheben sich Menschen aus den Gräbern, und hier werden dann doch unterschiedliche Stände angezeigt, ohne die es anscheinend nicht ging. Eine dritte Ebene zeigt durch den goldenen Hintergrund die Göttlichkeit an, hier erscheint Christus. Normalerweise sprießen aus seinem Mund eine Lilie für Vergebung (links) und ein Schwert für Verdammnis (rechts), hier sind es verhängnisvoller Weise zwei Schwerter geworden.

Henri Martin: La ‚Somme le Roi‘, Reproduction des miniatures du manuscrit 870 de la Bibliothèque Mazarine, XIIIe siècle. Les Trésors des bibliothèques de France. Manuscrits, incunables, livres rares, dessins, estampes, objets d’art, curiosités bibliographiques, Paris 1927.
Charles Samaran (Hrsg.): Catalogue des manuscrits en écriture latine portant des indications de date, de lieu ou de copiste, 1, Paris 1959.

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tags: Apokalypsehandschrift, Gotik, Weltgericht
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