Ein Psalterium oder Psalter ist nichts anderes ein mittelalterliches liturgisches Textbuch in lateinischer Sprache mit Psalmen und gelegentlich Wechselgesängen, das heute noch in der orthodoxen und römisch-katholischen Kirche Verwendung findet. Es ist keine homogene Gruppe von Handschriften, sondern die Werke haben unterschiedlichen Inhalt und verschiedene Aufmachung. In diesen Handschriften finde sich nicht selten Illustrationen des Neuen Jerusalem, ich erinnere hier an den Stuttgarter Psalter (800-850), das Kalendar-Psalterium aus der Benediktinerabtei Zwiefalten (um 1130), das Psalterium Feriatum (um 1240) und natürlich an das prächtige Pembroke-Stundenbuch (1465). Vor allem das in Hildesheim gefertigte Psalterium Feriatum (heute Württembergische Landesbibliothek Stuttgart) war das Vorbild für ein ähnliches Werk, das in Zell entstanden ist.
Zell am Main (Unterfranken) war mit dem 1128 gegründeten Prämonstratenser-Kloster im 13. Jahrhundert ein Zentrum der Herstellung wertvoller Miniaturen. Von 1251 bis 1259 wurde hier ein Psalterium zusammen mit einem Kalendarium hergestellt. Fol. 126 verso zeigt zwei noch romanisch geprägte Miniaturen mit kräftigen, klar zugewiesenen flächigen Farben. Eine der Miniaturen hat das Weltgericht zum Thema. Auf dieser ist die „gute“ Seite klar von der „bösen“ Seite durch eine mittige Säule in grüner Farbe getrennt. Zu beiden Seiten finden sich Vertreter der Stände, die entweder in die Hölle müssen oder links in das Himmlische Jerusalem aufgenommen werden. Dieses ist durch eine ungewöhnliche hohe schmale Pforte markiert. Ihr widernatürlich langer, einseitiger Flügel steht offen, ein Engel (nicht Petrus!) vor der Pforte deutet mit seiner Hand in das Innere. Dort bildet das einheitliche dunkelrote Innere der Pforte einen kompositorischen Gegenpunkt zur Teufelsgestalt auf der gegenüberliegenden Seite. Das Manuskript befindet sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München, dort unter der Inventar-Nr. MS Cod. Lat. 3900.