Georg Strauch (1613-1675), B. Sandrart: Bibelausgabe des Verlagshauses Endter/Wust (1661)
Die konventionelle Lutherbibel war nach dem Dreißigjährigen Krieg in die Jahre gekommen und erforderte auch bezüglich ihres Bildbestandes neue Kompositionen, um dem Zeitgeschmack, der künstlerischen Weiterentwicklung und den theologischen Erkenntnissen jener Zeit gerecht zu werden. Unabhängig voneinander kam jetzt eine ganze Reihe von Lutherbibeln auf den Markt, darunter die Dilherr-Bibel, Lutherbibel von 1664 oder die Fassung von Mattäus Schultes. In diese Bewegung reiht sich auch die „Bibel, Das ist, Die gantze Heilige Schrifft Alten und Neuen Testaments“, darin der Teilband „Das Neue Testament“ ein. Die Ausgabe war eine Gemeinschaftsarbeit der Verleger Endter in Nürnberg und Wust in Frankfurt am Main, die das Werk in Kommission herausbrachten und diesen Teil 1661 in Mainz drucken ließen. In ihr findet sich eine ganze Reihe neuer, aber auch älterer und anderswo zu findende Kupferstiche, die keineswegs von einem Künstler allein hervorgebracht wurden. Ein Hinweis zu der Arbeitsweise großer Verlage wie Endter/Wust im 17. Jahrhundert: In ihren Lagerhallen befanden sich zahlreiche Kupferplatten auf Vorrat, die je nach finanziellen Möglichkeiten des Auftraggebers, nach Art und Umfang des Werkes und (zuletzt) auch nach Wunsch des Verfassers zum Einsatz kamen. Urheberrechtsfragen spielten keine Rolle, es war in keinster Weise erforderlich, die Namen der Künstler anzugeben, die sich zum Teil auch nicht als Künstler sahen und oft von sich aus auf Signaturen oder Stempel verzichteten. So ist es auch bei der folgenden Arbeit. Inzwischen waren vor allem Zwischentitelblätter beliebt, die den biblischen Büchern vorangestellt wurden. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts waren sie das Neueste. Was früher ein opulenter Rahmen war, war jetzt ein ausgeschmücktes Zwischentitelblatt.
In der Bibelausgabe aus dem Jahr 1661 findet sich auf solch einem Zwischentitelblatt eine neue Darstellung zum Himmlischen Jerusalem (zwischen den Seiten 338 und 339). Sie zeigt die typischen Elemente einer solchen Thematik: Johannes und den Engel auf einem Fels rechts, links die Stadt im Quadrat mit Christus als Lamm in ihrer Mitte. Die steil nach unten fallende Stadtmauer, die oben anscheinend noch aus Wohnbauten besteht, die eng angesetzten Reihen von Bauten im Stadtinneren wie auch die wehenden Gewänder zeigen durchaus Können und erzeugen vor allem eines: Dramatik. Weniger geglückt sind die Figuren. Der Engel blickt hier nicht zur Stadt, sondern wendet sich von ihr ab. Sein schütteres Haar verbirgt kaum die beginnende Glatze, der Kopf ähnelt aus der Ferne ungewollt einem Totenschädel. Johannes, der neben ihm steht, hebt so unglücklich seine Arme, dass man kaum unterscheiden kann, was Kopf, was Arm, was Gewandfalten sind.
Glücklicherweise ist unter dem Stich in Latein zu entnehmen, welchen Künstlern wir dieses Zwischentitelblatt zu verdanken haben: Es handelt sich um eine Vorlage des Miniaturmalers und Radierers Georg Strauch (1613-1675), welche dann B. Sandrart ausführte. Dieser gehört zur großen Kupferstecherfamilie von Sandrat, aus der Johann Jacob von Sandrart (1655-1698) noch mit einem Stich zum Neuen Jerusalem hervorgetreten ist.
Die Mitarbeit des kaum bekannten B. Sandrart an der 1661er-Bibeledition ist noch in anderer Hinsicht sonderbar: Es ist nämlich sein einziges Zwischentitelblatt dieser Bibel. Alle anderen Blätter steuerte sein Kollege Johann Friedrich Fleischberger (1631-1665) bei, ein Nürnberger Illustrator. Möglicherweise konnte Fleischberger altersbedingt den Auftrag nicht abschließen, so dass Sandrat kurzfristig einspringen musste.
Claus Bernet: Holzschnitte und Kupferstiche, Norderstedt 2012 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 3).
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