Karel Škréta (um 1610-1674), Bartholomäus Kilian (1630-1696): „David mit dem Kopf Goliaths und einer Vision des Himmlischen Jerusalem“ (um 1670)
Der Grafik wurde die Bezeichnung „David mit dem Kopf Goliaths und einer Vision des Himmlischen Jerusalem“ gegeben. Es ist eine einzigartige Verbindung dieser sonst in der darstellenden Kunst stets getrennten biblischen Motive aus dem Alten Testament (Goliath) und dem Neuen Testament (Himmlisches Jerusalem). Als ausführender Künstler wird Bartholomäus Kilian (1630-1696) angeführt, ein Zeichner und Kupferstecher aus Augsburg, das zu seiner Zeit eine Metropole der Druckgrafik und des Verlagswesens war. Das Himmlische Jerusalem lag hier in der Luft, an entsprechenden Werken arbeiteten Meister wie Matthäus Schultes, Melchior Küsel oder Thomas Scheffler – und das war erst der Anfang. In Augsburg war auch der gebürtige Böhme Karel Škréta (um 1610-1674) präsent, der ebenfalls eine undatierte Fassung dieses Motivs veröffentlichte. Karel Škréta gilt als Begründer der tschechischen Barockmalerei, der vor allem an technischen Innovationen der Druckgrafik interessiert war und dazu Italien, die Schweiz und die deutschen Länder bereiste. Viele seiner Entwürfe wurden von namhaften Augsburger Grafikern ausgeführt. Nicht immer ist allerdings die Urheberschaft klar. So auch in diesem Fall, wo wir lediglich zwei undatierte und nicht signierte Fassungen aus öffentlichen Sammlungen kennen, aus der Garrett Collection des Baltimore Museum of Art und aus der Tschechischen Nationalgalerie. Das Blatt aus letztgenannter Sammlung wurde erst 2023 in einer Prager Ausstellung im Schwarzenberg Palais einem größeren Publikum vorgestellt.
Die Größe des Blattes beträgt in beiden Fällen 45 x 34 Zentimeter, und angefertigt wurde der Stich nach einer Idee Škrétas von Bartholomäus Kilian um 1670, nämlich nach seiner ersten Hochzeit 1657 und kurz vor seinem Porträt von Bernhard Verzascha 1678. Gezeigt wird eine Szene nach dem legendären Kampf, die so allerdings in der biblischen Vorlage nicht zu finden ist: David als Hirte (und Vorläufer von Christus) steht aufrecht neben dem abgeschlagenen Kopf Goliaths zu seinen Füßen, in Analogie an das Binden Satans auf tausend Jahre. Er deutet nach oben, wo in den Wolken zwei Putti erscheinen, dazwischen das Schriftband mit den Worten „ut edificentur muri Hierusalem“, vollständig „Benigne fac domine in bona voluntate tua Syon, ut edificentur muri Hierusalem“. Dies ist ein Zitat aus Psalm 50: „Tue wohl an Zion nach deiner Gnade, baue die Mauern zu Jerusalem“. Dieses Jerusalem erscheint darüber als himmlische Stadt, aber nicht allein mit seinen Mauern, sondern vor allem mit zahlreichen aneinander gereihten Bauten einer oberitalienischen Renaissancestadt – die Silhouetten von Venedig, Bologna, Florenz und/oder Rom waren hier die Vorlagen.
Jaromír Neumann: Karel Škréta, 1610-1674, Prag 1974.
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Beitragsbild: Garrett Collection des Baltimore Museum of Art