Im Verlauf des 18. Jahrhundert erschienen in Mexiko im Umkreis der Franziskaner mehrere Publikationen, denen jeweils eine einfache, farblose Abbildung der Tota Pulchra beigegeben ist. Die Zeichnungen haben nicht allein dekorativen Zweck, sondern stehen in einem direkten Zusammenhang mit dem Inhalt, da es sich hier um Werke zum Thema der Maria Immaculata handelt. So finden sich die Kupferstiche auch nicht an einer bestimmten Seite des Werkes, wo sie bildlich einen Text verdeutlichen könnten, sondern sie sind den Werken bereits als Frontispiz beigegeben.
In Mexiko gab es im 17. und 18. Jahrhundert eine Tradition prächtiger Darstellungen der Tota Pulchra als Ölmalerei. In den drei hier vorgestellten Publikationen ist von barocker Pracht und dem Reichtum der Kunst Neuspaniens nichts zu spüren, die Objekte sind einfach, ungelenk und holzschnittartig gestaltet. Vielleicht ist es für den Entwerfer und den Stecher, wenn es sich nicht um die gleiche Person handelt, von Vorteil, nicht mit diesen Arbeiten in Verbindung gebracht zu werden, und man blieb anonym. Die ersten beiden Beispiele sind aus der Hand des gleichen Illustrators, die letzte Arbeit könnte von einem anderen Künstler gemacht worden sein. Um so überraschender ist es, wenn man sich vor Augen führt, dass sich die Künstler bei der Gestaltung an Himmelspforten aus Seefedern orientiert haben, eine Mode aus den vorangegangenen Jahrhunderten.
Das erste Beispiel stammt aus dem Werk „Sermón predicado en la solemne accion de gracias (…)“ von Baltasar de la Carrera, der als Prediger und Mönch in Huextla im 17. Jahrhundert gewirkt hatte. Die Himmelspforte befindet sich hier in der unteren rechten Ecke in Form eines klassischen Baus mit Basis und Dreiecksgiebel, der auf voluminös aufgetürmten Wolken thront. Die Illustration ist 10 x 8 Zentimeter groß, der Ausschnitt lediglich 2 x 2 Zentimeter. Man findet ihn in einem Druckwerk, welches unter dem genannten Titel 1712 bei dem Verleger Miguel de Ribera Calderón in Mexiko entstanden ist und heute in der Bibliothek Palafoxiana in Puebla (Mexiko) aufbewahrt wird.
Das zweite Werk erschien bei den Erben von Miguel de Ribera Calderón. Es ist ein Frontispiz zu der dritten Auflage von „Aljaba apostolica de penetrantes flechas“ von 1731 aus dem Bestand der Nationalbibliothek von Mexiko. Verfasser war der Franziskaner José Diez. Bei der 8 x 5 Zentimeter kleinen Illustration hat sich lediglich die Position geändert, die Pforte ist jetzt in der oberen linken Ecke. Größe und Aussehen blieben ansonsten größtenteils unverändert. Da sich in der Mitte der schwarzen Tür ein dünner Strich zu finden scheint, müsste es sich hier um eine Porta Clausa handeln.
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Das letzte Beispiel ist wiederum aus einer Ausgabe von „Aljaba apostolica de penetrantes flechas“ entnommen, diesmal aus dem Jahr 1785, ebenfalls aus der Nationalbibliothek von Mexiko. Die 9 x 6 Zentimeter kleine Illustration zeigt die Himmelspforte nun anders: Der Bau ist keinem Stil mehr zuordnen, ihm fehlt die Basis und sieht wie ein schmaler Turm aus, der oben mit einer Figur, Knauf oder Fahne ausgestattet ist. Auch dieses Symbol Mariens schwebt auf Wolken. Von unten setzt eine Leiter an, deren Sprossen direkt bis zu der Pforte führten. Man gewinnt sogar den Eindruck, dass die Sprossen sich in dem Gebäude fortsetzen und ihm eine rasterartige Struktur verleihen.
Kelly Donahue-Wallace: Printmakers in Eighteenth-Century Mexico City: Francisco Sylverio, José Mariano Navarro, José Benito Ortuño, Manuel Galicia de Villavicencio, in: Anales del Instituto de Investigaciones Estéticas, 78, 2001, S. 221-234.
La Concepción de María en el tiempo. Recuperación de fórmulas tempranas de representación de la Inmaculada Concepción en la retórica visual del virreinato de Nueva España, in: Revista de Dialectología y Tradiciones Populares, 69, 1, 2014, S. 53-76.
Juan Isaac Calvo Portela: La Inmaculada Concepción en algunas estampas de libros editados en nueva España en los siglos XVIII y XIX, 2018.
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