Diese russische Ikone aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ist in Zentralrussland entstanden, die genaueren Umstände wie Provenienz, Auftraggeber und ausführende Künstler sind nicht bekannt. Heute befindet sie sich in einer US-amerikanischen Privatsammlung und steht der wissenschaftlichen Erforschung nicht zur Verfügung. Die Besonderheit dieser Ikone ist das zweifache Erscheinen des Himmlischen Jerusalem. Unten mittig ist es als quadratischer Paradiesgarten mit acht Toren zu sehen, wodurch die drei Patriarchen, die sich darin befinden, regelrecht ummauert wurden. Eigentlich würde man zwölf Tore vermuten, doch sind es tatsächlich nur jeweils zwei Tore an jeder der vier Seiten. Die Achtzahl ist nicht ganz so außergewöhnlich, man findet sie auch bei anderen Ikonen, Leuchtern und Deckenmalereien. Ungewöhnlich hingegen ist das Türkis der Mauer, welches sich auch an vielen anderen Stellen der Ikone, etwa an Gewändern oder dem Hintergrund, finden lässt.
Ein weiteres Himmlisches Jerusalem befindet sich in der Ecke oben links, wo traditionell die himmlische Stadt dargestellt ist. Sie präsentiert sich in Form von zweistöckigen Arkaden, die vorne alle eine rosa Färbung mit weißen Schmuckleisten haben. Nach rechts ist am Rand weitere Architektur angedeutet, und vorne sind blaufarbene Mauerzüge zu erkennen. In den Arkaden sitzen, wie gewöhnlich, Heilige beim ewigen Abendmahl zusammen.
Bei dieser Ikone sind weitere Arkaden auch an der rechten Ecke zu finden, ebenso ein rosafarbenes Gebäude mit einer sich verjüngenden Doppelkuppel. Damit ist die Präsentation Jerusalems auf diesem einzigartigen Werk auf drei Stellen verteilt. Eigentlich ist das Hauptthema dieser Ikone nicht das Weltgericht, sondern das Himmlische Jerusalem.
Claus Bernet: Ikonen des Weltgerichts, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 37).