Hans (Johann) von Bruneck: Heilig Geistkirche in Sterzing (um 1415)

Die barocke „Chiesa dello Spirito Santo all’Ospedale vecchio“ bzw. zu Deutsch die Heilig Geistkirche mit dem angrenzenden Spital in Sterzing (Südtirol) dürfte im Kern im 14. Jahrhundert entstanden sein. Die Wandmalerei in ganz Südtirol war damals von lombardischen Künstlern beeinflusst und dokumentiert den Weg gotischer Formsprache an die Alpen und schließlich auch jenseits der Alpen. Verantwortlich war hier der Maler Hans (Johann) von Bruneck, der Begründer der Pustertaler Malerschule des 15. Jahrhunderts. Der Maler war von 1390 bis 1450 tätig und schuf auch Fresken in der Salvatorkirche in Hall und in der Pfarrkirche St. Jakob in Dietenheim (beides ohne Darstellung des Neuen Jerusalem).


Die östliche Wandseite der Spitalkirche gegenüber dem Altar, also diejenige mit dem Kirchenausgang, zeigt das Jüngste Gericht. Es liegt damit dem Altar gegenüber und geriet vornehmlich beim Verlassen der Kirche im Blick. Die Annahme, dass die Priester es beim Zelebrieren der Messe gesehen hätten, ist nicht zutreffend, da viele Jahrhunderte die Priester mit dem Rücken zur Gemeinde standen.

Das Himmlische Jerusalem ist durch eine Pforte markiert sowie durch an beide Seiten ansetzendes Mauerwerk mit Zinnen. Die Architekturformen sind klar gezogen, ohne ornamentierten Schmuck oder manieristische Details, alles ist in einem einheitlichen Rosa gehalten. Hinter der Pforte musizieren auf zwei Etagen Engel. Unter ihnen öffnen sich vier Abflussrohre, die die vier Paradiesflüsse darstellen sollen – ein Motiv aus dem Alten Testament, welches mit dem Motiv des Lebensflusses aus dem Neuen Testament verknüpft wurde. Vor der Pforte haben sich Vertreter der mittelalterlichen Stände versammelt, an erster Stelle der Papst mit Tiara, dann weitere geistliche Würdenträger. Eingelassenen werden sie nicht etwa von Petrus, sondern von einem weißen Engel mit einem Kreuzband auf der Stirn. Die Malereien waren im Zuge von Umgestaltungen übermalt worden und wurden erst 1939 wiederentdeckt. In den 1980er Jahren wurden die spätgotischen Fresken restauriert und von allen späteren Übermalungen gereinigt.

M. M. dell’Antonio: Maestro Giovanni di Brunico, in: Bollettino d’arte del Ministero della Pubblica Istruzione, 19, 1928, S. 489-513.
Karl Schadelbauer: Sterzing im 15. Jahrhundert, Innsbruck 1962.
Edmund Theil: Spitalkirche in Sterzing, Bozen 1971.
Claus Bernet: Die Frühe Neuzeit: Eine Hoch-Zeit der Jerusalemskultur, Norderstedt 2016 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 5,2).

 

tags: Südtirol, Krankenhaus, Italien, Ständevertreter, Papst, Spätgotik, Weltgericht, Rosa
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