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Walter Kohler (1903-1945), Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): Michaelskirche in Stuttgart-Degerloch (1941 und 1961)

Wolf-Dieter Kohler (1928-1985) gestaltete 1964 die Glasfenster der Michaelskirche in Stuttgart-Degerloch. Es ist eines der ganz wenigen Beispiele, bei dem das Neue Jerusalem von der gleichen Künstlerfamilie in einer Kirche zwei Mal in gleicher Materialausführung (hier in Glas) gezeigt wird.
Das erste Fenster ist bereits im Jahr 1941 durch Walter Kohler (1903-1945) angefertigt worden. Walter Kohler war 1923 an der Gründung der Stuttgarter Sezession mit beteiligt gewesen. In der Degerlocher Kirche war sein Vater von 1922 bis 1934 evangelischer Pfarrer. Für diese Kirche schuf der Sohn 1940/41 neue Chorfenster. Das mittlere Chorfenster in Grün- und Blautönen stellt Gleichnisse Jesu dar, und ganz oben zeigt es sieben Tore des Neuen Jerusalem, mit einer ausbuchtenden Stadtmauer, die einen Kreis darstellen soll. Die sieben Tore sind ungewöhnlich, doch nach diesem Beispiel entstanden bald weitere siebentorige Städte, so in Kiel (1968) oder bei einer Grafik von Willy Kretzer (1981). Die Darstellung für Degerloch konnte aber wegen der Kriegsereignisse nicht mehr eingebaut werden. Der Künstler kam tragischerweise beim letzten Fliegerangriff auf Stuttgart Ende Januar 1945 ums Leben. Erst wenige Monate später wurden seine Fenster in der Kirche eingebaut, womit Kriegsschäden beseitigt werden konnten.

Nach einer Kirchenerneuerung im Jahr 1961 hat der Sohn des Künstlers, Wolf-Dieter Kohler (1928-1985), das Werk seines Vaters durch eine Darstellung aus dem letzten Buch der Bibel im Chorfenster ganz rechts (Chorapsis) vollendet. Sie wurde im Jahr 1964 eingesetzt. Dabei nimmt die zweite Arbeit mit den Stadttoren auf die erste Arbeit Bezug, markiert die Stadt aber mit dem Lamm und dem Lebensbaum deutlicher als Neues Jerusalem. Wolf-Dieter Kohler hat in dieser traditionelleren Darstellungsweise recht häufig Jerusalem dargestellt, so auch in der Johanneskirche in Münchingen, der evangelischen Gemeinde Oberboihingen oder in der Laurentiuskirche in Höfingen. Sie sind ein Beispiel, dass Kunstwerke sich nicht linear modernisieren, sondern die Arbeit des Vaters war hier progressiver und abstrakter, während der Sohn mehr figürliche Darstellungen zum Bibeltext ausarbeitete, wie sie in den ersten Nachkriegsjahrzehnten beliebt und von den Gemeinden gewünscht waren.

Karl Wais: Die Michaelskirche in Degerloch: ein Gang durch die Kirche und ihre Geschichte, Degerloch 1970.
Ernst Lind: 100 Jahre Michaelskirche Stuttgart-Degerloch: 1890-1990, Stuttgart-Degerloch 1990.

 

tags: Stuttgart, Württemberg, Nationalsozialismus, Chor, Nachkriegskunst
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