Reinhard Herrmann (1923-2002): Elementarbibel (1989)

Im Jahr 1989 erschien der letzte, achte Band der „Elementarbibel“. Es ist eine Bibelausgabe für Jugendliche, in bewusst einfacher Sprache gehalten von Anneliese Pokrandt und illustriert von dem Grafiker, Illustrator und Hochschullehrer Reinhard Herrmann (1923-2002). Der Band trägt den Titel „Jesus Christus im Glauben der Gemeinde“ und war ein Gemeinschaftsprojekt der Verlage Ernst Kaufmann (Lahr) und des Kösel-Verlags (München). Das Himmlische Jerusalem wird auf Seite 86 gezeigt. Die liebevoll gestaltete Stadtdarstellung nimmt spätmittelalterliche Illustrationen als Anregung (MS 110 von 1390, des Meisters Orosius um 1410 oder die Erfurter Apokalypse 1425-1450), die weichen, freundlichen Figuren im Vordergrund sind typische Personendarstellungen Herrmanns. Es sind links ein Engel (ohne Flügel) und rechts Johannes, die die Stadt betrachten. Von ihr getrennt sind sie durch den Lebensfluss, der sich wie ein Band um die Anlage zieht, und von den Bäumen, die schematisch aneinander gesetzt sind. Die roten Früchte der Bäume sind übrigens die zentralen Farbpunkte der ansonsten überwiegend grauen Illustration. Dahinter finden wir eine annähernd quadratische Anlage mit drei Toren an jeder Seite und jeweils einen höheren Eckturm. Die letzte, hintere Mauerseite mit ihren drei Toren ist nicht sichtbar, sie verschwindet im gleißenden Licht, welches sich in konzentrischen Kreisen über der Stadt ausbreitet.
Reinhard Herrmann wurde 1923 in Münster geboren und verstarb 2002. Anregungen für seine Tätigkeit als Illustrator erhielt er durch seinen Vater, der Theologieprofessor an der Universität Münster und Sammler alter Grafiken war. Nach dem Abitur begann er 1942 in Münster das Studium der Kunstgeschichte und Germanistik. Gleichzeitig besuchte er die Grafikklasse der damaligen Meisterschule des deutschen Handwerks unter der Leitung von Hans Pape. Nach Kriegsende wandte er sich ganz der Grafik zu und studierte 1947 an der Landeskunstschule Hamburg. Wegen der schwierigen Ernährungslage kehrte er im gleichen Jahr nach Münster zurück und wurde ein erfolgreicher Kinderbuchillustrator Nachkriegsdeutschlands. Zu dem Bild schrieb Herrmann kurz nach Erscheinen der Elementarbibel 1991: „Immer wieder wird mir der Vorwurf der Naivität gemacht. Ich hingegen empfinde es als Auszeichnung. Der Blick von Kindern ist etwas ganz wertvolles, und nicht umsonst hat Jesus uns aufgefordert, wie die Kinder zu werden. Bei dem Jerusalemsbild habe ich mich intensiv mit Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen auseinandergesetzt. Einige Zeit ließ ich sogar Kinder die Stadt malen, um mehr über ihre Vorstellungen zu erfahren. So habe ich ganz bewusst eine einfache, kindgemäße Formensprache gewählt, ohne aber den Anspruch, dem biblischen Wortlaut gerecht zu werden, zu verletzen. (…) Meine Figuren sind Kinder, die alle zum Vater wollen“.

Dörthe Bäumer: Reinhard Herrmann. Illustrative Grafik. Katalog zur Ausstellung, 8. März – 5. April 1989,Münster 1989.
Hermann Spaan: Reinhard Herrmann, in: Illustration 63. Zeitschrift für die Buchillustration, 36, 1999, S. 92-96.

 

tags: Bibelausgabe, Kinderbuch, Jugendbuch
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