Zwischen 1425 und 1450 entstand die lateinische „Erfurter Apokalypse“, die heute in der New York Public Library aufbewahrt wird (MS MA 15). Sie stammt aus Thüringen, möglicherweise aus Erfurt. Von den 35 Miniaturen sind zwei dem Neuen Jerusalem vorbehalten. Beide Illustrationen sind zurückhaltend in blauen, grünen und braunen Tönen koloriert und ähneln einer Grisaille. Auf fol. 15 zeigt ein Engel dem Johannes von einem Felsen aus die neue Stadt. Diese gleicht mit ihren unterschiedlichen Türmen, den verwinkelten Gassen, den giebel- und traufständigen Häusern zeitgenössischen Städten Mitteleuropas. Das folgende Bild auf fol. 15v zeigt erneut Johannes vor der Stadt, durch die der Lebensfluss rauscht. Seinen Ursprung nimmt der Fluss von Gott, der in einer Mandorla rechts oben dargestellt ist.
Die Bildkomposition und die feine Zeichnung lassen die Erfurter Apokalypse als Vorbild für die wenige Jahre später so beliebten Blockbücher in Frage kommen. Das gilt auch für eine weitere Apokalypse-Handschrift, die ebenfalls in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Thüringen entstanden ist, MS 49 der Wellcome Library in London (hier fol. 26r und 26v). Diese Handschrift ist farbenfreudig ausgemalt. Die Figuren beider Apokalypsen sind sich ähnlich, wurden aber vertauscht: Während in MS MA 15 der Engel und Johannes auf dem Felsen zu sehen sind, ist diese Szene in MS 49 ein Blatt weiter zu finden. Dies hängt mit dem Text zusammen, der in beiden Handschriften unterschiedlich gesetzt wurde.
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Kathryn Henkel: The Apocalypse. Introductory notes by Don Denny and James D. Farquhar, Maryland 1973.
Almuth Seebohm Désautels: Texts and images in a fifteenth-century German miscellany (Wellcome Ms 49), London 1982.
Almuth Seebohm: Apokalypse, ars moriendi, medizinische Traktate, Tugend- und Lasterlehren, München 1995.
Jonathan J. G. Alexander, James H. Marrow, Lucy Freeman Sandler: The splendor of the word, London 2005, S. 89-97.