Hier werden im Folgenden verschiedene Kunstdrucke des Himmlischen Jerusalem eines Zweiwegebildes vorgestellt, das zu den erfolgreichsten religiösen Andachtsbildern des 19. Jahrhunderts gehört. Varianten, Kopien und Mehrfachfassungen haben sich aus unterschiedlichen Ländern wie Deutschland, Schweden und Holland erhalten. Es sind jeweils Ausschnitte aus größeren Drucken. Das Himmlische Jerusalem befindet sich dabei stets oben in der Mitte. Die meisten dieser Lithographien sind undatiert, eine genaue zeitliche Einordnung erweist sich als schwierig.
Das Blatt wurde mitunter ins Hochformat gesetzt, wodurch der Weg steiler und das Himmlische Jerusalem entfernter wirkt. Gegenüber älteren Ansichten hat sich Entscheidendes verändert: Eine Eintrittszene gibt es nicht mehr, die Pilger und ihr Ziel, die himmlische Stadt, sind voneinander getrennt (im Gegensatz etwa zu den Neuruppiner Bilderbögen). Unterstrichen wird dies nochmals durch die Gloriole, die die Stadt von ihrer Umgebung hermetisch abgrenzt. Folgerichtig wird auch der begrüßende Christus überflüssig und weggelassen. Von der Stadt ist nicht nur eine Frontseite zu sehen, sondern alle vier, die zwölf offenen Eingänge mitsamt den Wächterengeln, die quadratische Form und das Lamm auf einem kleinen Hügel über der Stadt. Diese Konzeption ist eine Übernahme aus dem 17. Jahrhundert, wo beispielsweise Meyfart oder Saubert die Stadt ganz ähnlich dargestellt haben.
Zurück geht das Motiv auf eine Federlithographie des Malers Jakob Renz, angefertigt in Stuttgart. Es ist im unteren Bereich „Der breite und der schmale Weg“ tituliert und wurde unmittelbar nach den Befreiungskriegen 1820 hergestellt. Einige Details des Bildes verweisen in das frühe Biedermeier. Es existieren handkolorierte wie auch monochrome Fassungen.
Eine nachfolgende Fassung von etwa 1840 (LkAS, Inventarnummer 92.227) hat einen anderen Titel, der lautet „Seelenspiegel oder der Weltlauf des alltäglichen Lebens“. Die kolorierte Federlithographie ist eine „Raubkopie“ des offensichtlich katholischen Bilderproduzenten Johann Evangelist Ling (LkAS, Inventarnummer 1813/14-1887). Die Stadt wurde im Prinzip unverändert gelassen, die Engel mit der Krone, das Trinitätssymbol wie auch das Lamm über der Stadt weggelassen. Dadurch gewinnt die obere Zone, deren Beischrift sich übrigens auf „Das Himmelreich“ einschließlich eines Bibelverweises reduziert hat, an Klarheit und Ausgeglichenheit.
Wieder mehr Symbolik zeigt sich auf einer anderen Variante, die in Schweden unter dem Titel „Den breda och den smala vägen“ kursierte und die auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zu datieren ist. Das Lamm (Christus) mit Fahne steht auf der hinteren Stadtmauer, wo eigentlich einer der Engel Wache schieben müsste. Darüber wurde das Auge (Gottvater) und eine Taube (Heiliger Geist) gesetzt. Eine Besonderheit sind die beiden Kirchen, die den Häuserquartieren links und rechts beigegeben wurden.
Diese Anordnung der Trinitätssymbole findet sich übrigens auch in einer niederländischen Fassung (Openluchtmuseum Arnhem, Signatur PR 13). Auf der kolorierten Ausgabe, die heute das Dokumentationszentrum des Freilichtmuseums von Arnhem (Arnheim) besitzt, ist links unten „Batavia september“ angegeben, ohne dass das Jahr genannt ist. Sie dürfte ebenfalls aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen.
Sogar als Neuruppiner Bilderbogen wurde diese (katholische) Fassung des Zweiwegebildes vertrieben, parallel zu der bekannteren Darstellungsweise, bei der nur die Vorderseite der Stadt zu sehen ist. Dieser hochwertige Bogen wurde von der Lithographie-Anstalt Oehmigke & Riemschneider 1853/54 in Neuruppin hergestellt und weltweit vertrieben (Museum Neuruppin, Inventarnummer 00117). Die Bilder wurden zurückhaltend in Pastelltönen koloriert, und auch nur teilweise, wie etwa Kleidungsstücke der Engel, etwa über dem lateinischen Kreuz. Die Stadt hat ein klassizistisches Gepräge. Die Engel an den Seiten erscheinen auf den ersten Blick fast wie antike Vasen, die der Mauer aufgesetzt wurden.
Eine weitere Variante stammt aus der Schweiz (Museum der Kulturen, Basel, Inventarnummer VI 17313). Auch diesmal handelt es sich um eine Federlithographie, insg. 41 x 35 Zentimeter, datiert auf um 1860. Die Bildunterschrift ist ähnlich, aber etwas länger: „Der breite und schmale Weg. Ein betrachtungswürdiger Seelenspiegel […]“. Hergestellt wurde das bläulich aquarellierte Blatt von „H. Fischer“ aus Aarau. Möglicherweise handelt es sich um Heinrich Fischer, der 1820 in Nänokon bei Zürich geboren wurde; andere Quellen verweisen auf den Maler Johann Heinrich Fischer (1811-1879). In dem Bild weicht die Ummauerung der Stadt kaum von den Renz-Bildern ab, wohl aber die Stadtstruktur: Alle Häuser sehen identisch aus und sind von gleicher Größe, sie sind in Reih und Glied aufgestellt. Dazwischen befinden sich geräumige Alleen, auf denen Personen beiderlei Geschlechts spazieren gehen. Exakt solche Ansichten sind von Waisenhäusern, Spitälern, Kasernen und anderen Anstalten seit dem 18. Jahrhundert bekannt als Ergebnis der aufgeklärten Ordnungsutopie. Möglicherweise kannte Fischer den Stich aus Sinold von Schütz’s „Die glückseeligste Insul“ (1723), dessen Roman ja auch die Zweiwege-Motivik beinhaltet. Über der Stadt befand sich einst eine Trinitätsdarstellung, die von dem vermutlich protestantischen Verleger oder Besitzer des Bildes retuschiert wurde.
Erhalten hat sich dieses Detail in einer vereinfachten Fassung aus dem katholischen Süddeutschland, eine Variante der Schweizer Fassung. Sie wird auf um 1860 datiert. Es ist die erste Fassung, die die Stadt ohne Gloriole zeigt. In den Einzelheiten wurde die Stadt auf das Wesentliche reduziert; so ist beispielsweise das Edelsteinfundament der Stadtmauer weggelassen worden. Auch ist es nicht mehr möglich, die seitlichen Tore anzusehen.
Eine letzte Fassung aus dem Museum der Kulturen in Basel (VI 35974) hat den neuen Titel „Betrachtungswürdiger Seelenspiegel für die Menschheit gegenwärtiger Zeit“. Gedruckt wurde er in Zürich, um 1900. Die Gesamtgröße beträgt 47 x 36 Zentimeter. Auffällig ist, dass diese letzten Arbeiten so gut wie gar nicht mehr koloriert wurden. Noch einmal zeigt sich eine große Freude am Detail. Die Stadt ist mit zahlreichen Menschen bevölkert, die emsig in den Straßen umherziehen. Die Bauten sind reichlich ornamentiert, auch die Tore haben jetzt geschmückte Kuppeln, die bereits Merkmale des geometrischen Jugendstils aufweisen.
Eine Variante wurde erneut in Schweden hergestellt; ein Exemplar hat sich im Sörmlands-Museum in Nyköping erhalten. Auf diesem sind die Kuppeln etwas deutlicher nach der zeitgenössischen Architektur gehalten. Während die Zürcher Vorlage scharf gestochen ist, prägen hier weiche Umrisse den Gesamteindruck. Die Einzelheiten wurden etwas zurückgenommen; so findet man weniger Bewohner in den Straßen und die Zahl der Engel wurde erheblich reduziert. Dafür sieht man unten jetzt die Erikskrone, die schwedische Königskrone.
Martin Scharfe: Zwei-Wege-Bilder, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, 90, 1990, S. 123-144.
Konrad Vanja: Von Babylon nach Jerusalem, in: Moritz Wullen u. a. (Hrsg.): Babylon, Berlin 2008, S. 225-230.