Bernardo Castello (1557-1629) und Nachfolger: Maria Immaculata (1603, um 1605, um 1620, um 1625)

Bernardo Castello (oder Castelli ) (1557-1629) war ein italienischer Meister im spätmanieristischen Stil, der hauptsächlich in Genua und Ligurien tätig war. Er soll auch eine Maria-Immaculata-Malerei geschaffen haben, die aber nicht erhalten scheint. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Castello-Vorlage nie existierte, aber nachfolgende Illustratoren dies behaupteten, um die Qualität ihrer eigenen Arbeit mit Berufung auf einen großen Namen zu heben.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts beschäftigten sich gleich eine ganze Reihe von Künstlern mit dieser angeblichen Castello-Vorlage und schufen Varianten, die sich bis heute in großen europäischen Sammlungen erhalten haben.

Die erste dieser Varianten entstand in Italien und ist glücklicherweise datiert, auf das Jahr 1603. Hergestellt und gedruckt wurde der 33 x 19 Zentimeter kleine Kupferstich bei Luca Ciamberlano und Raffaello Schiaminossi (um 1570 – um 1620). Erhalten hat sich eine Fassung im Reichsmuseum Amsterdam (Inventarnummer RP-P-OB-37.224). Links befindet sich auf einem stilisierten Hügel eine barocke Pforte. Zu ihr führt eine steile, gerade Treppe, wie man es von Wallfahrtsanlagen und zahlreichen Ölmalereien der Maria Immaculata her kennt, als Verweis soll ein späteres Beispiel von Luis Lagarto (1619) genügen. Ihr gegenüber wurde rechts in den Hintergrund eine zweite Pforte gesetzt, diesmal als Stadttor vor einigen Bauten der Civitas Dei. Die Symbole erscheinen alle etwas matt, im Gegensatz zu der Marienfigur, die auf einer Erdkugel, getragen von Putti, das Hauptmotiv des Kupferstichs ist. Ein Hinweis noch zu der Schlange unten rechts: Sie gehört selbstverständlich nicht zu den Mariensymbolen, sondern sie flieht hier aus dem Bild, denn das Böse hat keinen Platz bzw. keine Existenzgrundlage mehr. Ursprünglich und bei den meisten anderen Arbeiten befindet sich die Schlange zu Füßen Mariens und wird dort zertreten, hier hat sie sich etwas verselbstständigt.

 

Kurz darauf, um das Jahr 1605, wurde bereits eine zweite Fassung herausgebracht. Hier wurden lediglich die Seiten vertauscht – die Himmelspforte befindet sich nun rechts, die Gottesstadt links. Es handelt sich um einen Schwarzdruck des Kopisten Henri Le Roy aus Paris, der am Erfolg des beliebten Motivs teilhaben wollte. Auch hiervon hat sich eine Fassung in identischer Größe im Reichsmuseum Amsterdam erhalten (Inventarnummer RP-P-OB-37.225).

 

Parallel dazu kam eine weitere Fassung auf, diesmal gedruckt in Antwerpen bei Theodor Galle (1571-1633), der dort einen etablierten Druckereibetrieb führte. Der 37 x 27 Zentimeter große Stich wird im Metropolitan Museum of Art (New York, Inventarnummer 53.601.15(71)) aufbewahrt. Er ist auf 1605 datiert. Es handelt sich in der technischen Ausführung um ein Werk höchster Qualität und Raffinesse. Die Linienführung ist akkurater und linearer als bei allen vorangegangenen Arbeiten. Die Details sind ausformulierter; so wurden etwa dem Erdball die Umrisse der Kontinente eingezeichnet, oder links hat die Sonne einen kunstvollen Nimbus mit mehreren Radialen bekommen.

 

Die römisch-katholische Kirche San Bernardo befindet sich im Ortsteil Salò von Serniga, einer Einsiedelei auf 420 Metern Höhe am Westufer des Gardasees in der Lombardei. Die kleine Kirche ist unter Kunsthistorikern kaum bekannt, nur wenige Besucher finden hierher. Dabei beherbergt der Sakralbau eine interessante und hervorragend erhaltene Ölmalereien der Maria Immaculata von circa 1620. Das 185 x 125 Zentimeter große Gemälde wurde eigens für die Kirche angeschafft und befindet sich noch heute am originalen Standort hinter dem Altar des linken Seitenschiffs. Ausgeführt wurde sie von Giovanni Andrea Bertanza (1570-1630), der aus Brescia stammte und nach seiner Heirat in Salò lebte und arbeitete. Vorbild für das Ölgemälde in Salò war ein Marienbildnis in San Giovanni Battista in Fasano, welches jedoch noch ohne Mariensymbole gestaltet ist. Bertanza setzte also die Symbole hinzu, eng nach der Fassung von Castello, unter minimalen Änderungen: Links oben wurde eine Sonne mit menschlichem Antlitz hinzugefügt, unten das Wappen des Stifters. Weggelassen hat Bertanza die Schlage, die nicht zu den Symbolen Mariens gehört.

Mucchi, Anton Maria: Giovanni Andrea Bertanza da Padenghe, Toscolano 1935.
Isabella Marelli, Matilde Amaturo: Giovanni Andrea Bertanza. Un pittore del Seicento sul Lago di Garda, San Felice del Benaco 1997.

 

Etwas später, um 1625, kam noch eine weitere, leicht manieristische Fassung auf. Sie soll in Deutschland angefertigt worden sein, unter dem niederländischen Stecher und Drucker David Custos nach Raffaello Schiaminossi, Signatur am unteren Rand: RAF s. f.(ecit); British Museum, London, Inventarnummer 1949 1008.73. Die Pforte ist etwas schmaler und höher als zuvor. Die Sonne, deren Strahlen bislang konzentrisch ausgingen, haben hier eine lineare Richtung. Die Symbole Mariens sind etwas gröber und mit weniger Aufwand gearbeitet, so fehlen die kunstvollen Schatten, und auch die perspektivische Rundung des Erdballs überzeugt nicht, statt einer konvexen Form erscheint das Objekt eher konkav, also nach innen gewölbt.

Alessandra Giannotti: Raffaello Schiaminossi, Urbino 2000.
Friedrich Hollstein: Dutch and flemish etchings, engravings and woodcuts, 21, Amsterdam 1980.

 

tags: Kupferstich, Maria Immaculata, Civitas Dei, Porta Coeli, Italien, Renaissance, Erdkugel, Schlange, Paris, Reichsmuseum Amsterdam, Antwerpen, Sonne, British Museum, Seicento
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