Anonyme Himmelspforten (19. Jh.)

Gibt es aus dem 16. Jahrhundert oder auch 18. Jahrhundert noch zahlreiche Darstellungen von Himmelspforten, deren Künstler wir namentlich nicht kennen, so gilt das nicht für das 19. Jahrhundert. Insgesamt blieben nur wenige Arbeiten übrig, bei denen auch durch Vergleiche, Untersuchung des Originals und nach Befragung von Wissenschaftlern und Museen nicht abschließend geklärt werden konnte, wer dieses Arbeiten angefertigt hat. Warum es nur eine Handvoll sind, konzentriert sich auf zwei Gründe:
-Das Thema „Maria Immaculata“ spielt im 19. Jahrhundert kaum mehr eine Rolle, die Frömmigkeit hatte inzwischen andere Darstellungsformen gefunden. Hat im 17. Jahrhundert so gut wie jeder große Meister Spaniens eine Maria Immaculata geschaffen, so findet man nun im 19. Jahrhundert so gut wie keinen nennenswerten Maler, der sich dieses Sujets angenommen hat.
-Das Selbstbild der Künstler vom 17. bis zum 19. Jahrhundert hat sich entscheidend verändert. Die Signatur der Gemälde als eine Art Stempel oder Gütesiegel hat sich in ganz Westeuropa durchgesetzt, bis auf die Ikonenmalerei der Ostkirche, wo die Signatur sich noch später durchsetzte, und dann auch nur auf der Rückseite der Leinwand. Durch die Signatur ist selbstverständlich die Zuweisung und Einordnung eines Kunstwerks wesentlich erleichtert, vorausgesetzt, man kann die manchmal eigenartigen Schriften und Kürzel entziffern.

 

Über das ganze 19. Jahrhundert war eine anonyme Farblithographie verbreitet, die lateinisch „Virgo Immaculata“ betitelt ist. Wie üblich, findet man auf solchen Devotionalien das Himmlische Jerusalem zweimal: Einmal mittig links als zweitürmige Himmelspforte, und dann unten rechts als farbenfrohe Civitas Dei. Die Manier dieses historistischen Erzeugnisses soll an das 16. Jahrhundert an die Drucke von Thielman Kerver anknüpfen, daher wurden auch die lateinischen Spruchbänder eingefügt, obwohl die große Zeit des Latein längst zu Ende war. Vertrieben wurde dieses Einzelblatt als Andenken vor allem an Wallfahrtsorten in Frankreich und in Italien.

Populär wurde die eben beschriebene Lithographie durch Aufnahme in den Band „Lives of the Saints: The Lives of the Fathers, Martyrs and Other Principal Saints“, leicht verändert und jetzt als Chromolithographie. Bei der unpaginierten Seite blieben vor allem die Figuren, also Maria und Gottvater, unverändert, während die Pforte und die Gottesstadt in Position, Form und Farbe leicht abgeändert wurden. Man findet die Pforte nun oben links und die Stadt unten. Beide sind in ein Medaillon mit goldenem Hintergrund gefasst; anstatt gelben überwiegen grüne und rosafarbene Töne. Alban Butlers „Lives of the Saints“ wurde seit der Mitte des 18. Jahrhunderts mehrfach aufgelegt. Diese Fassung der Maria Immaculata gehört zu einer Prachtausgabe, welche F. C. Husenbeth bei dem Verlag J. S. Virtue & Co. in London und Dublin um 1875 herausbrachte.

 

Die Cusco-Malerschule war spätestens im 19. Jahrhundert Legende, die jetzt noch dort produzierten Ölmalereien der Maria Immaculata waren meist Kopien älterer Werke. Teilweise haben diese sich nicht erhalten, so dass die Kopie nun zum Referenzwerk wird. Eines dieser peruanischen Werke befindet sich in Privatbesitz, mit 118 x 87 handelt es sich bereits um eine der größeren Ausführungen zum Thema. Im oberen, himmlischen Bereich ist eine Himmelspforte links einer Himmelstreppe rechts gegenüber gestellt. Die typische einfache Form im Kolonialstil wurde ebenso beibehalten wie die bordeauxrote Farbe dieser zentralen Symbole, die nicht ohne Grund an oberster Stelle stehen.

 

In Südamerika befinden sich noch zahlreiche Ölmalereien in Privatsammlungen, die wissenschaftlich noch lange nicht alle untersucht worden sind. Eine Darstellung der Maria Immaculata und ihrer Symbole entstand in Venezuela in den letzten Jahren der spanischen Herrschaft, um 1810. Das Ölgemälde ist mit 39 x 29 Zentimeter relativ klein und war ein Gegenstand persönlicher Andacht eines frommen Katholiken. Um Maria sind auf dem Bild kreisförmig ihre Symbole angeordnet, darunter mittig auf der linken Seite eine offene, schmale Himmelspforte in traditioneller Malweise.

 

Für eine Ölmalerei der Maria Immaculata ist diese Fassung von circa 1825 sehr spät, zu dieser Zeit war dieses Thema nicht Mode, es ist eine der letzten Ölfassungen zu diesem Motiv überhaupt. Der Maler hat sich bei der Auswahl der Symbole an die Tradition gehalten, hat hier aber den barocken Stil gegen den Klassizismus getauscht. Man findet das Detail auf dem Bild mittig links. Entstanden ist die Malerei in der kolumbianischen Gemeinde Villa de Leyva, wo sie im Carmen-Museum für Sakralkunst aufbewahrt wird.

 

tags: Lithographie, Porta Coeli, Wallfahrt, Venezuela, Kolumbien, Chromolithographie, Prachtausgabe
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