Pieter Claissens (auch Claeissens der Ältere, 1500-1576) war ein erfolgreicher flämischer Maler aus Brügge. Als Teil des Habsburgerreichs stand ihm hier der Weltmarkt offen. Sakrale Arbeiten machten nur einen geringen Umfang seines Schaffens aus. Darunter befindet sich eine 62 x 86 Zentimeter Ölmalerei der Maria Immaculata von etwa 1560 im Stil der flämischen Renaissance. (vgl. etwa das Grimani-Brevier von 1500) und in der farblichen Brillanz wie das Wandfresko der Maria Immaculata im Franziskanerkloster Schwaz (um 1608). Für wen das Werk unter welchen Umständen angefertigt wurde, wissen wir nicht, aber wir kennen einen Teil der Besitzer: zunächst war es Teil einer Privatsammlung, wurde 1995 erstmals in London versteigert, war dann im Besitz von Rob Smeets, in Genf, bis es 2023 wieder zum Auktionator Christie‘s zurückkehrte. Zwischenzeitlich war es in verschiedenen Häusern ausgestellt, so 2011 im Palazzo Fortuny in Venedig, dann 2015 und erneut 2020 im Maastrichter Bonnefantenmuseum und 2017/18 in Brügge. Heute befindet es sich wieder in einer Privatsammlung. Vor 1995 galt es eine Arbeit von Ambrosius Benson (1495/1500-1550), später erfolgte die Zuschreibung an Pieter Claissens.
Das Gebäude im rechten oberen Zwickel des Gemäldes ist mit einer lateinischen Aufschrift als „Porta Celi“ gekennzeichnet (in goldenen Lettern über dem Haupttor). Gezeigt wird aber keine Pforte, sondern eine komplexe Anlage, etwa eine Klosteranlage, die fast schon eine Stadt sein könnte. Unterschiedliche Seitentürme rahmen einen klassizistischen Bau, der über die eigentlichen Pforte gesetzt ist. Eine solche Asymmetrie ist in der Darstellung von Architektur eher selten, da Harmonie und Gleichklang als ein Zeichen von Schönheit betrachtet wurde, gerade auch im Zeitalter des Humanismus. An den Seiten setzen hohe Mauern an, das Tor dazwischen zeigt eine kleinere Pforte bzw. ein Schlupfloch, das leicht geöffnet ist. Umgeben und eingewachsen ist die Architektur von Wiesen und Büschen, zum Teil vor, zum Teil hinter der Pforte.
„Civitas Dei“ prangert in goldenen Lettern auf einer Ansammlung von Renaissance-Bauten an der linken Seite, zwischen dem Turm David und der Marienfigur in eine liebliche Landschaft eingebettet. Dabei rutscht ein Teil der Bauten auch auf die rechte Seite des Bildes, so dass der Stadt doch eine recht zentrale Bedeutung zukommt, vor allem auch durch Prachtvolle Bauten mit Treppengiebeln, Fantasietürmen und Fassaden mit Säulenschmuck.
István L. Szénássy: Kunst in het Bonnefantenmuseum, Maastricht 1984.
Anne van Oosterwijk: The contribution of technical art history to the reconstruction of the oeuvre of Pieter I Claeissens, in: Anne Dubois, Jacqueline Couvert, Till-Holger Bor (Hrsg.): Technical studies of paintings. Problems of attribution (15th-17th centuries), Paris 2018, S. 238-249.
Beitragsbild: Pieter Claeissens the Elder author QS:P170,Q7192762, Pieter claissens, allegoria dell’immacolata concezione, 1550-75 ca. 01, CC BY 3.0