Benvenuto Tisi Garofalo (1481-1559): „Allegorie der Testamente“ (1523 und 1528-1531)

Eine Monumentalmalerei der Gesamtgröße 8 x 3 Meter entstand 1523 für das Kloster Sant’Andrea in Ferrara (heute Pinacoteca Nazionale, Ferrara, Inventarnummer 143). Es stammt von Benvenuto Tisi Garofalo (1481-1559) und hat den Titel „L’Antico e Nuovo Testamento“.
Verständlicherweise wurde bei einer allegorischen Darstellung des Alten und Neuen Testaments das Himmlische Jerusalem mit seinen Anklängen zum Paradies dargestellt, und zwar im oberen Abschluss des Gemäldes. Unmissverständlich ist dieses auf eine Eckseite in lateinischen Buchstaben aufgeschrieben: PARADI(SVS). Es handelt sich um ein als Festung verkleidetes Paradies. Auf den zwei Schauseiten sind kleine zwei Tore zu entdecken, von denen eines gerade von einem Engel geöffnet oder geschlossen wird. Vor den Toren erscheinen riesige Schlüssel (hier nicht zu sehen). Diese gehören zu einer am Kreuz hängenden Christusfigur, deren Hände mit diesen Schlüsseln nach oben weisen: durch seinen Tod hat er das Tor zum ewigen Leben für alle Gläubigen aufgeschlossen (Motiv: „Lebendes Kreuz“). In diesem Himmelsort präsentiert sich Gottvater neben einer Schar Engel, die zum Teil mit Waffen wie bei einer Glaubensburg die Festung vor Bedrohungen verteidigen. Gleichzeitig ist dieser Bau ein Gegengewicht zum Tempel Salomon, der in dem Gemälde, stellvertretend für das Judentum, als Ruine dargestellt ist.

 

Diese Fassung wurde von Garofalo wenige Jahre später kopiert, bei der 318 x 257 Zentimeter großen Ölmalerei „Allegoria del Vecchio e Nuovo Testamento“ oder „La Sinagoga e la Chiesa“. Hier scheint die Stadt als Fünfeck gestaltet zu sein, wieder findet man die geöffnete und geschlossene Pforte. Gut zu sehen sind jetzt auch die beiden Schlüssel vor den Toren. Dieses Gemälde entstand zwischen 1528 und 1531 für das Kloster San Bernardino in der Geburtsstadt von Garafalo, Ferrara. 1792 wurde es von Papst Pius VI. für seinen Familienpalast angeschafft, von dem es die Eremitage St. Petersburg 1842 ankaufte (Inv. 2639), wo es sich heute befindet.

Anna Maria Fioravanti Baraldi: Il Garofalo. Benvenuto Tisi, pittore (c. 1476-1559), Rimini 1993.
Luisa Ciammitti (Hrsg.): Garofalo e Dosso. Ricerche sul polittico costabili, Venezia 1998.
Tatiana Kustodieva, Mauro Lucco (Barb.): Garofalo. Pittore della Ferrara Estense, Milano 2008.
Stephen J. Campbell: Renaissance naturalism and the Jewish Bible: Ferrara, Brescia, Bergamo, 1520-1540, in: Herbert L. Kessler, David Nirenberg (Hrsg.): Judaism and Christian art, Philadelphia 2011, S. 291-327. 

 

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