Anonyme Illustrationen aus John Bunyan: Pilgrim’s Progress (19. Jh.)

Mit der Industrialisierung der Buchproduktion in England entstanden über das 19. Jahrhundert hinweg zahlreiche Ausgaben des populären Romans „Pilgrim’s Progress“. Die meisten Illustrationen stammen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einige davon wurden für Missionszwecke herausgebracht. Die Werke wurden fast immer in England gedruckt, von dort aus auch nach Nordamerika verbreitet. Anders war es im lateinamerikanischen Sprachraum, wo das Werk noch wenig bekannt war. Wenn die Ausgaben bekannter sind und ein namentlich bekannter Künstler daran beteiligt war, habe ich das Werk in einem eigenständigen Beitrag besprochen. Nun gibt es aber auch Editionen, wo die Künstler nicht bekannt waren und auch durch Archivstudien und Autopsie nicht in Erfahrung zu bringen waren. In diesem Fall werden diese „anonymen“ Illustrationen hier einmal gesammelt näher vorgestellt.

Es beginnt in den gerade gegründeten USA. Eine besondere Rarität aus der Library Union des Theological Seminary von New York ist diese frühe nordamerikanische Ausgabe. Sie erschien im Jahre 1804 für John Tiebout in New York bei dem Verleger L. Nichols. Bereits das Frontispiz zeigt eine einfache Himmelspforte (angelehnt an die ältere Ausgabe aus dem 18. Jahrhundert von 1794). Es handelt sich um ein einfaches Gatter, an den Seiten von einem Holzzaun umzogen, zu dem ein schmaler, steiler Weg führt.

In diesem Werk von 1804 sind dann noch drei weitere Illustrationen relevant. Auf der Seite 13 sieht man erneut die Pforte sehr klein unter der eindrucksvollen Sonne, Gloriole oder Sonnengloriole. Wiederum steht sie auf einer Anhöhe über einer kleinen Siedlung. Die Pforte, die im Buch eine hohe Bedeutung hat, ist so gut wie nicht zu sehen, die Gloriole, die in dem Buch gar nicht vorkommt, ist dominant in Szene gesetzt.

Die nächsten beiden Abbildungen sind komplexer und haben eine andere Handschrift als die beiden Illustrationen zuvor. Man ist nun als Betrachter direkt an die Pforte gerückt, auf Seite 25 sieht man den Pilger vor dem Torhüter mit vielen Einzelheiten einer Pforte, die keinem bestimmten Stil zugeordnet werden kann. Auffällig sind die beiden Knäufe, die die Pforte seitlich schmücken. Im Hintergrund sind Teufel auf einer Mauer, die den Pilger bedrohen. Die Bildelemente sind nicht neu, sie haben Vorläufer in den anonymen Ausgaben von 1763, 1768 und 1787.

Es folgt die letzte Abbildung „Christiana and her Children enter the Wicket Gate“ „Christiana und ihre Kinder erreichen das Schlupfloch“ auf Seite 149. Hier handelt es sich um die gleiche Pforte wie zuvor. Jetzt ist es aber nicht mehr der Pilger, der anklopft, sondern die Allegorie „Gnade“ mit mehreren Kindern. Ebenfalls von Kindern rühren die grünen Farbspuren her, die diese und andere Illustrationen des Bandes etwas bunter gestalteten.

 

1809 erschien in London eine dreiteilige Ausgabe, die von der Albion Press Edition betreut wurde. Das quadratförmige Frontispiz zeigt eine Himmelspforte in antikem Gewand mit ionischen Säulen. Die daran ansetzende Stadtmauer an der rechten Seite ist hoch, schmal und ungewöhnlich gewunden. Christian, die Hauptfigur der Geschichte, ist hier von einem unbekannten Künstler mit sehr jungen Gesichtszügen dargestellt worden. Mit seiner Mischung aus Morbidität, Romantik und Naivität ist der Stich ein typisches Produkt des frühen Biedermeier.

 

Solomon Wiatt brachte 1811 in Philadelphia eine dreibändige Ausgabe heraus. Dazu wurden von einem oder mehreren Künstlern neue Kupferstiche im Biedermeier angefertigt, von denen man durch Stilvergleiche sagen kann, dass sie in den USA entstanden sein müssten. Zwischen den Seiten 234 und 235 befindet sich ein rechteckiger Stich zu dem Thema „Christiana, her children, and Mercy leave the City of Destruction“. Der Ausschnitt zeigt das Neue Jerusalem auf dem halbrunden Zionsberg am Horizont. Es präsentiert sich als Schlossanlage mit zwei Türmen, die jeweils mit einem lateinischen Kreuz bekrönt sind und mit den beiden gegenüber gesetzten Frauenköpfen unten korrespondieren.

 

Im Jahr 1812 erschien im englischen Verlag Russell & Allen in Manchester eine Neuausgabe mit Kupferstichen eines namentlich nicht bekannten Künstlers. Zunächst zeigt das Frontispiz eine kleine, bescheidene Miniatur-Himmelspforte ohne künstlerischen Anspruch, ganz ähnlich, wie bereits im 17. Jahrhundert das Frontispiz zur Erstausgabe gestaltet war. Im Gegensatz dazu wurde allerdings auf angrenzende Mauerpartien vollständig verzichtet, die eigentümliche Form erinnert mehr an eine Paravan als den Eingang in die Glückseligkeit.

Kurz danach bringt die Zeichnung „Christian meets Evangelist“ / „Christian trift den Evangelisten“ zwischen den Seiten 2 und 3 eine weitere Pforte als Gatter auf einem Hügel. Von dort geht helles, grelles Licht aus. Auf das Gatter verweist der Evangelist mit seiner Hand, während sein ernster Blick zum Pilger geht.

 

1813 kam ein Kupferstich auf den Markt, der im gleichen Jahr in die Londoner Ausgabe von Thomas Kelly zwischen den Seiten 204 und 205 eingefügt wurde. Die Arbeit eines unbekannten, aber talentierten Künstlers trägt den Titel: „Christiana & her Children at the Gate“. Sie zeigt die Einflüsse kolonialer Kontakte in den Nahen Osten und nach Indien, sowohl bei Pflanzen, bei der Architektur als auch bei der Kleidung der Figuren, die verschiedene christliche Allegorien darstellen. Die Überschrift über der Pforte ist eine Phantasie-Schrift, die der Szenerie etwas Fremdländisches verleiht. Üblicherweise stand dort „Klopfet an und euch wird aufgetan“ (Matthäusevangelium Kap. 7, Vers 7), doch das war den Lesern des 19. Jahrhunderts so vertraut, dass man darauf verzichten konnte.

 

Eine winzige Beizeichnung mitten auf Seite 12 zeigt den Pilger vor der noch verschlossenen Himmelspforte. Die Mauer links gehört zu Jerusalem, die Mauer rechts jedoch zu Babel. Dort greifen kleine Teufel (letztlich erfolglos) den Pilger mit Pfeilen an. Die kleine, einfache Zeichnung im Stil des frühen Klassizismus illustriert eine Ausgabe, die 1818 bei dem Verlag Lincoln & Edmands in Boston erschien und im dortigen Buchladen des Verlegers vertrieben wurde. Nicht wenige Kolonisten hatten diesen Band als Reiselektüre auf ihrem Zug nach Westen, der ihn vermutlich wie eine eigene Pilgerfahrt erschien.

 

Im Jahre 1824 wurde eine Übersetzung aus dem Englischen ins Neugriechische auf den Markt gebracht. Diese Ausgabe entstand nicht in Zusammenarbeit mit einem Missionswerk, sondern ist eine eigenständige Edition, die in Meliti, Nordgriechenland, entstanden ist. Enthalten sind zahlreiche Illustrationen eines unabhängigen, leider unbekannten Künstlers. Es sind einfachste Arbeiten, unscharf und ohne direkte Vorlage, also wirklich neue Illustrationen aus griechischer Perspektive auf diesen Band der Weltliteratur. Vier seiner Werke zeigen das Neue Jerusalem. Bereits auf Seite 1 ist rechts neben dem bekrönten Porträt des schlafenden Pilgers/John Bunyan eine kleine Pilgerfigur zu sehen, die sich auf ein einfaches Tor zubewegt.

Auf Seite 8 wird diese Szene wiederholt, wobei das klassizistische Tor mit zwei Säulen und Strahlen schon etwas besser zu erkennen ist. Seite 254 zeigt den Pilger, wie er das Himmlische Jerusalem mit einem Fernrohr anvisiert, und Seite 329 schließlich präsentiert uns die Stadt Jerusalem am rettenden Ufer als sehr niedrige Festungsarchitektur auf einer Anhöhe, den Zionsberg, zu dem ein schmaler Pfad emporführt.

 

Ebenfalls 1824 kamen sechs neue Kupferstiche auf den Markt, vertrieben von Bartlett & Hinton in Oxford. Es waren billig gefertigte Massenwaren mit schlecht gearbeiteten Figuren, damals als Catchpennies verschrien. Der Künstler dieser Arbeiten ist namentlich nicht bekannt, vielleicht zu seinem Glück. Zwei der Stiche zeigen das Neue Jerusalem: „Evangelist“ und „Christiana, her Children, and Mercy“ (beide später aufgenommen in die Ausgabe London 1846). Das Neue Jerusalem ist auf beiden Zeichnungen lediglich leicht angedeutet, man sieht den Lichtkranz oben besser als die Pforte darunter, auf die es eigentlich ankommt. In beiden Fällen hilft die Handweisung der Figur, die Aufmerksamkeit auf die heilige Stadt zu lenken.

 

In London erschien von Thomas Kelly 1827 eine Ausgabe mit zahlreichen neuen Kupferstichen zu John Bunyans Erfolgsroman „Pilgrim’s Progress“. Die klassizistischen Stiche zwischen den Seiten 174 und 175 sowie zwischen den Seiten 204 und 205 thematisieren jeweils die Himmelspforte. Einmal geschieht dies aus Fernsicht als niedriges Mauersegment, welches eine Pforte zwischen den Wolken und Lichtstrahlen nur erahnen lässt. Dann ist der Eingang in das Neue Jerusalem als mächtige Tür in ein antikes Bauwerk aus Nahsicht zu finden, mehrere Gerettete treten gerade ein, wieder mit Kreuzen wie bereits bei der Ausgabe von 1813.

 

„Eines Christen Reise nach der Seligen Ewigkeit“ ist eine der wenigen Übersetzungen von Pilgrim’s Progress, die in deutscher Sprache in den USA erschien, nämlich 1831 in Harrisburg bei dem Verleger Gustav S. Peters. Es sind einfachste Zeichnungen, wie sie für die USA in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts typisch sind. Der Coverausschnitt zeigt einen schwer beladenen Pilger auf dem Weg in Richtung des Neuen Jerusalem (links), dargestellt als niedrige Festung.

Ganz ähnlich präsentiert sich hier auf Seite 17 die Stadt Jerusalem in der Ferne. Es ist lediglich ein schmaler Rundbogen, von zwei blockartigen Türmen gerahmt. Die Sonne, die zuvor noch über der Stadt leuchtete, wurde hier weggelassen.

Die Abbildung auf Seite 23 bringt hingegen die noch geschlossene Himmelspforte. „Klopfet an, so wird euch aufgethan“ steht über der Tür. Auf dem Boden liegt übrigens noch ein Pfeil, den ein Teufel vergeblich abgeschossen hat. Von der Pforte aus führt ein schmaler Weg, an beiden Seiten ummauert, wie bereits in einer Schweizer Fassung von 1765. Der Weg führt nach oben weiter zu einem lateinischen Kreuz. Kurz vor dem Kreuz muss der Pilger sich entscheiden: Ein breiter Weg führt weiter in die Unendlichkeit, der richtige Weg ist natürlich der schmale Weg am Kreuz entlang.

 

Viele kleine Beizeichnungen eines nicht namentlich bekannten Grafikers zieren eine Ausgabe von 1833, die in Philadelphia erschienen ist. Die Seiten 122, 159 und 161 zeigen eine himmlische Stadt aus stets drei Bauteilen in einem Strahlenkranz auf einem Hügel am Horizont. Sie ist lediglich Beiwerk, entscheidend sind die Szenen im Vordergrund.

 

Die Ausgabe 1834 erschien in Boston, speziell für eine christliche Sonntagsschule. Von 28 einfachen Holzschnitten, wie sie in den USA üblich waren, zeigen drei das Neue Jerusalem; S. 15: „Christian at the Wicket-Gate“, S. 87: „Christiana and Mercy crossing the plain towards the Wicket-Gate“, und S. 89 „Christiana knocking at the Wicket-Gate“. Markant sind hier die massiven mittelalterlichen Doppeltürme, die in allen drei Zeichnungen vorkommen. Sie charakterisieren einmal die Stadt Babel, dann wieder die Stadt Jerusalem: Die Form war letztlich nebensächlich, auf den Inhalt kam es an.

 

Die in Cincinnati (Ohio) 1837 erschienene Ausgabe hat ein neues Frontispiz, angelehnt aber weiterhin an die amerikanische Ausgabe von 1804 und natürlich 1831. Im Vergleich sieht man aber deutlich, welchen künstlerischen Fortschritt der Buchdruck in den USA innerhalb weniger Jahre gemacht hat. Der Pilger wird von der Sonne oder dem Stern regelrecht angezogen; wie eine Schnur legt sich der Weg nach oben zu der Zugangspforte in die Stadt.

 

Im Jahre 1837 erschien erstmals die Hamburger Ausgabe von John Bunyans Roman „Pilgrim’s Progress“. Herausgebracht wurde sie im renommierten Verlag J. G. Oncken, gedruckt wurde sie von J. J. W. Köbner & Comp. Der Titel dieser neuen Edition lautete: „Die Pilgerreise nach dem Berge Zion“. Das Buch wurde bewusst für missionarische Zwecke entworfen und bietet nur kurze, zentrale Passagen von Bunyans langem Roman. Beigefügt wurden zahlreiche feine Kupferstiche, deren Verfasser leider nicht bekannt ist. Gleich das Frontispiz bringt eine neogotische Himmelspforte im Flamboyantstil, von Palmen gerahmt. Über ihr steht in die Architektur eingeschrieben: „Klopfet an, so wird euch aufgethan“.

 

Rev. George Burder war Geistlicher der Independent Church in England. Literarisch ist er als Dichter hervorgetreten, unter anderem brachte er beide Teile von Pilgrim’s Progress in Versform heraus. Diese Ausgabe „The Pilgrim’s Progress from Earthly to Heaven. An Epic Poem“ wurde 1845 in London gedruckt und mit vielen Vignetten ausgestattet, deren Künstler wir leider nicht kennen. Die erste Zeichnung zwischen den Seiten 1 und 2 zeigt den Zionsberg mit der leuchtenden Gottesstadt als Fernziel. Die dann folgende Tafel 12 eröffnet mit der bekannten Szene des Pilgers vor der Himmelspforte (und einem dramatischen Dämon), welche der Pilger dann nochmals auf Tafel 56 aus dem Fernrohr sieht, gestaltet wie auf der ersten Zeichnung, leicht brüchig und im Detail nur in Umrissen angedeutet.

Tafel 65 zeigt die Stadt erneut als winziges Fernziel auf einem Berg, Gloriole und einige Häuser zeichnen sich ab. Die folgende Tafel 66 zeigt, wie zuvor, oben die Stadt in der Höhe (Mitte), unten das gleiche mit zwei erschienenen Engeln (rechts).

Tafel 68 und Tafel 69 zeigen beide, wie der Pilger mühsam den Fluss überqueren muss – die Stadt ist nun durch eine Pforte repräsentiert. Es ist ein einfaches Gatter, mit zwei Pfeilern, zwischen denen Querstreben Fremdes abhalten. Tafel 71 zeigt dann den triumphalen Einzug in das Neue Jerusalem. Nun ist die Pforte größer und sie besteht wieder aus Stein, Mauerwerk grenzt zu beiden Seiten an. Sie steht nun offen, zahlreiche Gerettete befinden sich vor und hinter der Pforte bereits in der heiligen Stadt.

Tafel 72 zeigt nochmals die Himmelspforte. Hier ist sie allerdings halb geöffnet, mit Lichtstrahlen nach oben und Wolken nach unten. An den spitzen Flügeln kann man einen Engel erahnen, die die beiden Flügeltore gerade schließt oder öffnet. Die letzte Abbildung auf Tafel 89 gehört bereits in den zweiten Teil des Bandes. Auf ihr ist Maria vor einer Himmelspforte zu sehen, die einer Verkaufsbude oder einem Kiosk ähnelt. Diese Zeichnung ist derartig billig und einfach gehalten, dass es schon peinlich wirkt. Statt das Werk mit vielen kleinen Beizeichnungen auszustatten, wäre es sinnvoller gewesen, das Geld in wenige qualitätsvolle Arbeiten zu investieren.

 

Auch dieser New Yorker Ausgabe des Verlags Lane & Tippett findet man neue, anonyme Kupferstiche. Auf Seite 70 ist der Pilger bei seiner Ankunft an der rechteckigen Himmelspforte zu sehen. Eingefügt wurden traditionelle christliche Symbole, wie eine Taube im Türsturz (für den Heiligen Geist) oder die Weinreben an den Seiten (für das Abendmahl). Interessant sind die beiden Schatten zu Seiten des Türstehers/Petrus, die ihn unbewusst wie einen Engel aussehen lassen. Diese Arbeit wurde nicht allein 1845, sondern in vielen weiteren Ausgaben gedruckt, etwa 1850 und 1854. Man findet Varianten dieser Zeichnung auch in spanischen Ausgaben von 1845 („El viador, bajo del simil de un sueno“), 1853 und in einer Übersetzung 1881.

 

Der Londoner Verlag Routledge brachte im Jahr 1846 eine Ausgabe mit zahlreichen neuen Illustrationen heraus. Die Abbildung auf Seite 50 zeigt eine klassizistische Himmelspforte, wie sie bereits ein halbes Jahrhundert zuvor gezeichnet worden ist. Das neue ist hier jedoch eine wehende Piratenflagge mit Totenkopf auf der Teufelsburg links.

Seite 208 dieser Ausgabe zeigt dann nochmals Jerusalem als klassizistische Kirche, angelehnt an den Petersdom in Rom. Der Bau erscheint in den Wolken, umgeben von einem Glorienschein und zahlreichen Engeln. Beide Arbeiten, die von unterschiedlichen Künstlern stammen und mglw. schon vor 1846 entstanden sind, zeigen eine Tendenz der Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts: Bei den Ausgaben wurden unterschiedlichste Zeichnungen zusammengeworfen, Hauptsache man hatte schnell Illustrationen bei der Hand.

 

Im Zuge der Kolonialisierung wie Missionierung wurden von Engländern auch zahlreiche christliche Traktate und Schriften in indigene Sprachen übersetzt. 1849 wurde solch eine Ausgabe von John Bunyans „Pilgrim’s Progress“ in Panjabi herausgebracht, das in Nordindien und Pakistan gesprochen wird. Die darin aufgenommenen Illustrationen wurden vermutlich von Künstlern aus Europa angefertigt. Eine davon zeigt die bekannte Szene, auf der der jugendliche Pilger mit Elan an die Himmelspforte gelangt, die für ihn bereits halb geöffnet ist. Sie besteht allein aus zwei Pfeilern, einem Halbbogen und zwei Stufen; als Türfüllung dient ein hölzernes Gatter. Oben steht noch das „Knock, and it shall be opened unto you“, unten hat man später die Übersetzung aufgedruckt.

 

Die Zeichnung „Knocking at the gate“ zeigt einen erschöpften Pilger mit einem langen Schatten, der beschämt zu Boden blickt. Ihm gegenüber verbarrikadiert sich ein skeptischer Petrus in einer wenig einladenden Himmelspforte, die mehr an eine Taberne oder Spelunke erinnert. Die düstere Abbildung ist zwischen den Seiten 38 und 39 der 1852 in Philadelphia herausgebrachten Ausgabe eingefügt. Signiert ist sie unten rechts mit „H. F.“, bzw. „F. H.“.

 

Die American Sunday-School Union veröffentlichte im Jahr 1853 in Philadelphia eine Ausgabe mit einer Himmelspforte, die zwischen den Seiten 50 und 51 eingesetzt wurde. Diese Zeichnung „Christian at the Wicket gate“ sollte noch öfters abgedruckt werden, so koloriert in einer Ausgabe 1861, in einer Hindi-Übersetzung 1885 oder in den deutschsprachigen Fassungen „Pilgerreise zur seligen Ewigkeit“ (1859) oder in „Die Pilgerreise nach dem Berg Zion“ (1900). Eine Variante brachte die italienische Übersetzung „Il Pellegrinaggio de Cristiano“ (erschienen in Arezzo) noch 1951, also gut hundert Jahre nach dem Erstdruck. Ob die Qualität dieser Illustration der Grund für ihre häufige Reproduktion gewesen war?

 

Zu sehen ist das obere Drittel einer Illustration eines unbekannten Künstlers, die in der Bostoner Ausgabe von 1854 enthalten ist, dort zwischen den Seiten 72 und 73. Der mediterran wirkenden Stadt sind rechts unten noch drei Engel beigefügt. Diese Illustration bricht mit der bisherigen Bildtradition und befreit sich von den vielen vorangegangen Illustrationen, ohne aber selbst stilbildend zu werden. Bislang wurde in dem Roman die Stadt meist als Pforte oder mit lediglich wenigen Bauten gezeigt (Ausnahme: Joseph Mallord William Turners Ausgaben zu Pilgrims‘ Progress von 1838), hier hingegen breitet sich eine ganze Stadtlandschaft aus. 

 

Im Jahr 1854 erschien in New York „The Great Journey“. Es ist die erste Ausgabe von Pilgrim’s Progress, die bereits auf dem Buchcover die Gottesstadt zeigt, in goldener Füllung auf blauem Grund. Bei der Stadt reihen sich unterschiedliche Bauten aneinander, der mittlere ist durch seine Größe etwas hervorgehoben. Von ihm strahlt es wie von einem Leuchtturm in die Umgebung aus.

Das Frontispiz dieser Ausgabe (links) zeigt das Neue Jerusalem dann in Form eines aufgeschlagenen Buches in Anlehnung an die versiegelte Schrift aus der Apokalypse. Es ist eine einzigartige Kurisoität, die man weder vorher noch nachher findet. Dann ist in dieser Ausgabe von 1854 noch auf Seite 34 (Mitte) eine traditionell wiedergegebene Himmelspforte zu entdecken und auf S. 145 (rechts) die Silhouette der Stadt, wie bereits auf dem Cover.

 

Eine romantisch abmutende Beizeichnung zeigt hier den Pilger vor der noch verschlossenen Himmelspforte. Die hohen Berge erwecken den Eindruck eines Wallfahrers zu einer einsamen Bergkirche. Man findet den Kupferstich auf Seite 400 einer Ausgabe, die 1858 bei der American Tract Society in New York herauskam.

 

Der Buchändler George Offor (1787-1864) brachte 1859 in London eine Bunyan-Werkausgabe in mehreren Bänden heraus. Im dritten Band findet sich eine unpaginierte Seite mit zahlreichen Miniaturen zu der Pilgrim’s Progress-Geschichte. In der obersten Reihe ist auch eine kleine Miniatur, auf der der Evangelist den Pilger auf das Neue Jerusalem, dessen zwei Tortürme in der Ferne leuchten, verweist. Es ist eine frühe Darstellung des Pförtners als Philosoph in antikem Gewand (vgl. Ausgabe 1844 oder die Türgestaltung von Frederick Thrupp (1876).

 

1859 erschien die 13. Auflage der Pilgrim-Progress-Edition von Thomas Scott. Der Londoner Druck setzte bereits die Himmelspforte auf das Buchcover. Auf diese deutet ein Mann in einem antiken Gewand, der wieder einem Philosophen ähnelt.

Seite 11 dieser Ausgabe bringt dann etwas durchaus Originelles: Es zeigt eine gebogene Himmelspforte am rettenden Ufer, das der Pilger gerade erreicht. Gleichzeitig ist diese Pforte der Buchstabe „n“ als Initiale des Wortes „now…“.

Seite 259 zeigt abschließend zwei Engel, die den Pilger in das Neue Jerusalem als ausdifferenzierte Silhouette oben begleiten. Rechts, leicht zu übersehen, schmiegt sich eine mittelalterliche Toranlage in den Fels. Sie ist der eigentliche Zugang in die Stadt darüber (in Anlehnung an die Bostoner Ausgabe 1854).

 

William Mason brachte im Jahr 1860 eine Neuausgabe in London heraus. Zwischen den Seiten 24 und 25 wurde eine Zeichnung eines unbekannten Künstlers eingefügt, die den Pilger bei der Ankunft an der Himmelspforte zeigt, gehalten im romantischen Stil wie bereits viele Ausgaben zuvor.

 

Eine Ausgabe unter Mitarbeit des Literaten Robert Maguires erschien ebenfalls 1860 in London. Hier wurde eine Himmelspforte mit Fenster und zwei dorischen Säulen gebracht, zwischen den Seiten 198 und 199. Durch das helle weiße Papier sowie die Art der Linienführung erscheint der Bau wie aus Marmor zu sein. Ins Bild gebracht ist die Stelle, an der die Allegorie der Gnade die Pforte erreicht. Es ist eine Ironie, dass hier die Figur Gnade um Gnade betteln muss; eigentlich gewährt diese Person anderen Gnade.

Diese Illustration entstammt einer Ausgabe der presbyterianischen Kirche aus Philadelphia von 1860. Zu sehen ist im Vordergrund, wie der Pilger mit Unterstützung einen Fluss überquert. Im Hintergrund ist das Neue Jerusalem als Himmelserscheinung mit Strahlennimbus zu erkennen, in ungewöhnlicher Form: Zwei rechteckige Toreingänge haben nach oben einen schwungvollen, wellenlinienförmigen Abschluss. Möglicherweise ist die Zeichnung, wie auch der Strahlennimbus, nach links hin unvollständig. Die Zeichnung ist untertitelt mit „Crossing the River of Death“ und findet sich auf Seite 177 am Ende dieser Edition.

 

Im Jahr 1862 erschien auch eine dänische Übersetzung von Pilgrim’s Progress. Für das Frontispiz wurde ein Kupferstich ausgewählt, den ein unbekannter örtlicher Künstler angefertigt hat. Möglicherweise war es der gleiche, der Jahre später eine Postkarte mit ganz ähnlicher Stadtdarstellung versehen hat. Auffällig ist hier der breite Weg mit gemauerten Seitenbegrenzungen, die verhindern, dass Pilger vom Weg abkommen. Die naive Zeichnung sollte besonders jugendliche Leser und Leserinnen ansprechen, denn im 19. Jahrhundert vollzog sich der Wandel des Romans für fromme Erwachsene zum spannenden Jugendbuch.

 

Eine reichhaltig bebilderte Ausgabe erschien 1866 in London, unter dem Titel „Select Works of John Bunyan“. Sie enthält einhundert Holzschnitte und Farblithographien, darunter viele bereits anderswo publizierte Abbildungen. Bezüglich des Himmlischen Jerusalem bietet diese Ausgabe eine Novität: Auf S. 153 sieht man „Mercy at the Gate“. Hier wurde das Himmlische Jerusalem in den Hintergrund auf einer Anhöhe eingesetzt, in Anlehnung an das Schloss Segovia. Es sieht so aus, als würde die Person von dort kommen – im Roman ist es jedoch umgekehrt: Nach Betreten der Pforte geht es weiter in Richtung Jerusalem. Die schwungvolle Zeichnung skizziert die Szene mit wenigen Linien und bringt eine ganz neue Darstellungsweise zum Ausdruck.

 

Bei dem Verlag „Gall & Inglis“ in Edinburgh erschien im Jahr 1868 eine Ausgabe mit neuen Farbabbildungen. Eine davon (ohne Seitenangabe) zeigt die Szene, auf der sich der Pilger in die Schutz gewährende Himmelspforte im neogotischen Stil flüchtet. Die sonst hier zu findenden Teufel sind jetzt „Wilde“, denen die Britten auf ihren zahlreichen Kolonien begegneten.

 

In Philadelphia erschien 1869 eine Ausgabe mit einer für diese Zeit ungewöhnlich modernen, dynamischen Illustration zum Thema Himmelspforte. Man findet sie zwischen den Seiten 144 und 145. Hier wird der Pilger von einer verführerischen Frau (Maria? Gnade?) durch die Pforte eingelassen. Die Figur ist ganz von Strahlen umfangen, die aus der schmalen Türöffnung nach außen dringen. Schattenwurf und vor allem die gekonnten Personenzeichnungen deuten auf einen talentierten Meister. Auf den ersten Blick erweckt die Zeichnung den Eindruck, der Pilger würde sich in Glas spiegeln.

 

In China erschien 1869 eine der ersten Übersetzungen von Pilgrim’s Progress, für die lokale Künstler Illustrationen anfertigten. Die beiden Zeichnungen mit dem Neuen Jerusalem sind unpaginiert, einmal erscheint die Stadt am Horizont des Ufers von dem Fluss, in dem der Pilger unterzugehen droht (links) und abschließend ein weiteres Mal als triumphale Himmelspforte, von Engeln umgeben (rechts).

 

Ein chinesischer Künstler fertigte Abbildungen für die Wesleyan Missionary Society an, die dann für eine chinesischsprachige Ausgabe von John Bunyans Roman „Pilgrim’s Progress“ genutzt wurden. Diese erschien 1870 mit chinesischen Schriftzeichen. In der unpaginierten Ausgabe ist das Neue Jerusalem mehrfach enthalten: zunächst zwei Mal als Himmelspforte, dann in weiter Ferne zwei Mal als chinesische Pagode.

 

Farbabbildungen wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer beliebter. Einige der ersten Beispiele finden sich in einer Ausgabe von 1870, herausgekommen in New York. „Ignorance Rejected“ zwischen den Seiten 134 und 135 ist eine der ganz seltenen Szenen, auf denen von zwei Engelsfiguren ein Eintrittswilliger vor der Pforte (hier als hölzerne Zweiflügeltür mit prächtigen vergoldeten Beschlägen, gerahmt von schmalen, blaufarbenen Säulen) zurückgewiesen wird, in diesem Fall die allegorische Gestalt „Ignoranz“.

Die daran anschließende Zeichnung von gleicher Hand hat den Titel „Knock, and it shall be opened unto you“. Zwischen den Seiten 146 und 147 zeigt der unbekannte Illustrator die Pforte wieder in gewohnter Art und Weise unauffällig und bescheiden, in begrüntem Ambiente. Spätromatische Zeichnungen aus Märchenbüchern haben diese Art der Darstellung mit beeinflusst.

 

Eine spezielle Ausgabe für Jugendliche erschien in London im Jahr 1872 bei dem Verlag „Dean & Son“. Enthalten sind „Oil Colour Pictures“ eines nicht genannten Künstlers. Das Heftchen von 14 Seiten bringt auf der letzten, unpaginierten Seite eine triumphale Himmelspforte im Stile des Viktorianismus, in Anlehnung an Paolo Priolo.

 

Eine Ausgabe „Freely illustrated“ erschien im Jahr 1872 in Boston, leider ohne die Namen der Künstler der Abbildungen anzugeben. In dem Werk finden sich auch zwei Kupferstiche zum Himmlischen Jerusalem. Auf Seite 252 ist die gesamte Stadt am Horizont zu sehen, in einer Art und Weise, wie sie die Adventisten später bevorzugten: mit einer Paradieslandschaft im Vordergrund, dem Lebensfluss und einer nach oben gestaffelten Stadt, ohne Engel, Gerettete oder Christus.

Eine Zeichnung einer anderen Hand auf Seite 298 zeigt die allegorische Figur „Gnade“ vor der Himmelspforte. Die Pforte ist halb geöffnet; sie besteht im unteren Bereich aus einem hölzernen Gatter. Diese Pforte scheint hier zu einem größeren Gebäude zu gehören, von dem wir rechts noch Butzenscheiben sehen.

 

Die Philadelphia-Ausgabe von 1872 wirbt „with numerous engravings“. Das Frontispiz zum zweiten Teil auf Seite 329 zeigt die Stadt als hermetisch verschlossene Gottesfestung oben rechts. Sie ist anscheinend quadratisch und besitzt vier gedrungene Ecktürme. Damit traf man auf den Zeitgeschmack; diese Illustration ist später auch in anderen Ausgaben zu finden.

 

„The Pilgrim Children“ ist ein zwölfseitiges Heftchen von 1875 mit fast ausschließlich farbigen Abbildungen, die speziell für Kinder gedacht waren und die stilistisch an Märchenbücher angelehnt waren. Den oder die daran beteiligten Künstler kennt man nicht. Eine der unpaginieren Seiten der Londoner Ausgabe zeigt die Himmelspforte im romantischen Stil. Die Kreuze, die die Kinder noch in älteren Ausgaben (1813 oder 1827) trugen, sind hier zu Gehstöcken säkularisiert.

 

Im Jahr 1878 erschien in Cincinnati (Ohio) eine neue US-amerikanische Ausgabe. Auf Seite 308 ist die Gottesstadt in der Ferne zu erahnen, eine Stadtmauer und mehrere Bauten zeichnen sich ab. Diese sind asymmetrisch zueinander gesetzt. Im Verhältnis zu der die Stadt umziehenden Mauer müssen sie eine beachtliche Größe haben. Das Ganze ist durch eine ungewöhnlich strukturierte Gloriole überhöht, die wie aufgestempelt aussieht.

 

„Papa’s Tales“ ist eine Serie, in der 1880 auch Pilgrim’s Progress für Kinder und Jugendliche herausgebracht wurde. Es ist ein kleines Heft von lediglich zwölf Seiten mit fast ausschließlich nur Abbildungen. Von den unpaginierten Seiten bringen drei das Himmlische Jerusalem: Auf der Titelseite (links), in Form der Himmelspforte (Mitte) und als weiße Stadt in den Wolken (rechts).

 

Robert Maguire, der schon bei einer Auflage 1860 mitgearbeitet hatte, brachte in Philadelphia um das Jahr 1885 eine weitere Ausgabe heraus, die er „Superfine edition“ nannte. Darin enthalten ist eine Illustration, die noch öfters abgedruckt werden sollte und am Ende des 19. Jahrhunderts überaus populär war. Sie hat den Titel „The Keeper of the Gate finds Mercy fainting outside“. Die Illustration zeigt, wie sich die Allegorie „Gnade“ vor das Himmelstor wirft, wo sie von einem jugendlichen Torwächter in zeitgenössischer Tracht aufgenommen wird. Angefertigt wurde der Stich durch die Firma „The Brothers Dalziel“, signiert ist er mit „J. M. L. R.“. Zu finden ist diese Arbeit auch in den Ausgaben der Jahre 1890, 1891 und 1892.

 

Eine seltene Ausgabe ist handschriftlich auf 1892 datiert, bei dieser ziert das Cover die zentrale Szene mit der Pforte. Es fällt auf, dass hier dem jugendlichen Pilger der alte Pförtner nicht länger gegenüber gestellt ist, wodurch es stärker aus der Ferne goldgelb leuchtet, als wenn dort eine Person stehen würde. Die Ausgabe „The Pilgrim‘s Progress. Illustrated“ betont schon auf dem Cover die Illustrationen, verrät aber nicht, wer sie angefertigt hat. Herausgebracht wurde sie als Gemeinschaftsprojekt von Oliphant Anderson & Ferrier in Edinburgh und London. Es gibt den Band in zwei identischen Coverfarben, einmal blau (hier zu sehen) und dann auch in rot.

 

Mehrere Farbzeichnungen eines namentlich nicht bekannten Künstlers enthält die New Yorker Ausgabe von 1899. Auf Seite 45 findet man „He gave him a pull“. Selten genug ist hier nicht die Himmelspforte von außen gezeigt, sondern der Pilger wird regelrecht in das rettende Innere hineingezogen, während von draußen noch feindliche Pfeile anfliegen. Hier hat man also einmal einen Blick auf die Innenseite der Pforte und die Wand, die allerdings von innen nicht viel anders als von außen aussieht.

 

Die fünfte Auflage von „Die Pilgerreise nach dem Berge Zion“ (erster Teil) wurde 1900 in einer Jubiläumsausgabe herausgebracht, in einer „mit 57 Bildern geschmückten Auflage“ (ebenso wie die 16. Auflage von 1906 und die 24. Auflage von 1919). Diese 57 Bilder haben die Herausgeber aus unterschiedlichen Quellen zusammengestellt, zumeist schutzrechtlich erworben von der Firma S. W. Partridge & Co. aus London. Erschienen ist das Komposit im Verlag Oncken Nachfolger in Kassel. Auf dem Cover deutet der Pilger auf das Neue Jerusalem in der Ferne, von dem man außen goldene Mauern und eine goldene Kirche sieht, während im Inneren schwarze Linien die Wohnbebauung andeuten. Ein schmaler Weg führt von unten vor die Eingangspforte.

 

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