In einer von Brandschatzung, Verwüstung und Vergewaltigung geprägten Zeit wie der des Dreißigjährigen Krieges wurde das Himmlische Jerusalem weniger als Friedensstadt denn als Festung oder Burg gesehen. Das beste Beispiel dafür ist die „Jesusburg“ des Lutheraners Justus Daniel Heering (1609-1649) aus Nürnberg, die man als Gegenentwurf zu den katholischen Glaubensburgen verstehen kann. Ein Jahr vor seinem Tod veröffentlichte Heering eine Predigtserie unter dem Titel „Die veste Jesus-Burg“ und setzte einen Kupferstich als Titelblatt. Es handelt sich um Predigten, die Heering 1646 in der Nürnberger Sebalduskirche gehalten hatte. In einer angehängten Sammlung von Gedichten stellten bekannte zeitgenössische Dichter, darunter Georg Philipp Harsdörffer, Georg Volckamer und Johann Klaj, Epigramme oder Verse zum 46. Psalm zusammen.
Heering konzipiert in seinem Text eine eigenwillige und einzigartige Variante des Himmlischen Jerusalem, in dem er die bedrängte Reichsstadt Nürnberg mit der belagerten Gottesstadt gleichsetzt. Diese verteidigt sich wehrhaft selbst mit Geschützen wie zuvor vielleicht nur die Jerusalemsburg auf dem Titelkupfer von Dietrich Reinkingk. Nur ein schmaler, klammer Weg führt über Treppen und eine Zugbrücke hinauf bis an das Eingangstor in das Himmlische Jerusalem. Zwei mächtige pyramidale Basteien umgeben einen Turm, dessen Kuppeln an orthodoxe Kirchen erinnern. Vor der Stadt und in der Luft tobt der Endkampf. Fliegende Monster mit Enterhaken greifen an, aus den Basteien feuern Geschütze von allen Seiten, von unten drängen Soldaten an die Festungsanlage. Wie die Schlacht endet, ist ungewiss.
Trotz des Einfallsreichtums der Schrift wurde der Begriff „Jesusburg“, der sich außer in der Schrift Heerings nirgendwo anders findet, nicht traditionsprägend, obwohl es nach Johannesoffenbarung Kap. 21 und 22 Jesus Christus in Gestalt des Lammes ist, der die Gottesstadt beherrscht und der von daher geeignet gewesen wäre, dem Himmlischen Jerusalem seinen Namen zu verleihen.
Claus Bernet: Himmlisches Franken, Norderstedt 2012 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 4).
