
Meister von Schöder: Spätmittelalterliche Himmelspforte aus St. Bartholomä in Hohentauern (1492)
Inzwischen wurde ein weiteres Himmlisches Jerusalem dem Meister von Schöder zugewiesen. Es geht um spätgotische Fresken aus St. Bartholomä in dem Gebirgsort Hohentauern. Mit über 1.2000 Metern über dem Meeresspiegel dürfte es eines der höchstgelegenen mittelalterlichen Weltgerichte am Originalstandort sein. Die vom Admonter Stift aus beauftragten Malereien entstanden 1492 im Zuge des Chorneubaus und fielen damit ins Spätwerk des Meisters. Darunter befindet sich auch ein Weltgericht an der Nordwand des Chorjochs in zwei Meter Höhe, einschließlich einer Himmelspforte links samt einiger Geretteter, orientiert an zeitgenössischen Holzschnitten. Die Malerei wurde 1956/57 von T. Fötsch und W. Grabner freigelegt und restauriert. Die daran anschließende Erforschung geht davon aus, dass der Meister von Schöder bzw. seine Werkstatt daran beteiligt gewesen war, obwohl die früheren Weltgerichte in der Nikolauskirche von Bad Gastein und Mariä Geburt in Schöder anders angelegt sind – vielleicht hatte sich der Meister von Schöder weiter entwickelt, oder der alte Meister war selbst gar nicht mehr aktiv beteiligt, längst führten Schüler und Nachfolger die Malereien aus.
Betritt man die niedrige, dunkle Kirche, so fällt das Weltgerichtsfresko links vom Altar kaum auf. Ist die Kirche voll besetzt, kann nur ein geringer Teil etwas von diesem Fresko sehen – außer den Zelebranten, die es ständig vor sich haben. Merkmal dieser Arbeit ist die klare Zweiteilung in einen obere Bereich mit Christus und Heiligen, sowie in einen unteren Bereich mit dem Himmlischen Jerusalem und der Hölle.
Die Vorzeichnungen stammen von zwei unterschiedlichen Handschriften, die Kolorierung vereinheitlicht den oberen harmonischen Stil mit der unteren expressiven Note. Oben links wachen die Toten auf, blicken nach oben, obwohl ihr eigentliches Ziel unten links zu finden ist: Durch die dortige Pforte müssen sie eintreten, um in das Himmlische Jerusalem zu gelangen. Die Pforte zeigt sich als schmaler gotischer Kirchenbau, oben ist ein Satteldach mit einem Vierpass angedeutet, alles viel traditioneller dargestellt als beispielsweise beim Villacher Weltgericht, obwohl dies eine Generation zuvor geschaffen wurde. Noch erkennen kann man das kunstvolle Beschlagwerk des Schlosses, das gerade mit einem Schlüssel von Petrus geöffnet wird. Die Pforte, obwohl bereits golden strahlend, ist also noch geschlossen. Solche und andere Details sind stark beeinträchtigt durch den notwendigen Einbau mehrerer Strahler, die direkt vor die Pforte gesetzt wurden. Ob dies absichtlich so geschehen ist, um den Eindruck hervorzurufen, hier würde Licht aus der Pforte strahlen?
Üblicherweise lasse ich Fotos unbearbeitet, um den Originalzustand möglichst wie vorgefunden wiederzugeben. In diesem Falle mache ich eine Ausnahme und habe die Aufnahme der Pforte nachträglich so bearbeitet, wie sie ohne den Einbau der Strahler aussehen würde:
Alois Leitner: Eine Pfarre stellt sich vor. Zur Geschichte der Pfarre Hohentauern, in: Beiträge zur Geschichte unseres Heimatortes Hohentauern. Der Tauern, 2, 1988
Michael Kühlenthal: Der Meister von Schöder, ein spätgotischer Freskant, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 24, 1970, S. 97-107.
St. Bartholomä am Hohen Tauern, Pfarrkirche, in: Elga Lance: Textband, Wien 2002, S. 422 (Die mittelalterlichen Wandmalereien in der Steiermark, 1).