Die heute evangelische Kirche Sankt Peter und Paul in Grabenstetten, südöstlich von Stuttgart gelegen, besitzt spätmittelalterliche Fresken von großer künstlerischer Ausdruckskraft. Entstanden sind sie um das Jahr 1430. Die Fresken waren in der Reformationszeit übertüncht worden. Man hat sie erst 1912 wiederentdeckt und anschließend bis 1924 teilweise freigelegt.
Im Kirchenschiff findet man an der rechten, unteren Südwand in einem abgeschlossenen Bildfeld eine Weltgerichtsszene (solche Bildfelder waren typisch für dieses Zeit, vergleiche etwa die Cornelienkirche Sankt Maria in Bad Wimpfen). Die Lichtverhältnisse sind dort komplex und die Fresken können wegen des Gegenlichts der Fenster kaum photographisch befriedigend aufgenommen werden. Man erkennt: Eine kleine Schar Geretteter flieht nach links zur Petrusfigur, dem Namensgeber der Kirche. Dieser öffnet mit einem übergroßen Himmelsschlüssel eine schmale und hohe Pforte, die pars pro toto das Himmlische Jerusalem markiert. Sie ist so klein, dass sich sogar Petrus bücken müsste, um hinein zu gelangen. Ihm gegenüber ist ein Engel positioniert, der die Posaune zum Jüngsten Gericht bläst. Interesse erzeugen die vier nackten Figuren zwischen Petrus und dem Engel. Sind dies tatsächlich Personen aus der Zeit der späten Gotik? Zwar wird das späte Mittelalter immer wieder als freizügig bis frivol geschildert, aber diese Art der Darstellung wäre eine Steilvorlage für eine reformatorische Bußpredigt. Es wundert also kaum, dass diese Malereien wenige Jahrzehnte nach ihrer Entstehung übertüncht wurden, vielleicht übertüncht werden mussten. Auch passen die anatomisch modern anmutenden Körper nicht zu anderen Beispielen des 15. Jahrhunderts, in der Umgebung etwa in Eltingen oder Ehningen. Dort findet man Massenszenen von Nackten aus der Ferne, hier in Grabenstetten jedoch besitzt man individuelle Nacktdarstellungen aus der Nähe.
Grabenstetten in vergangenen Tagen, hrsg. von der Genossenschaftsbank Grabenstetten, Grabenstetten 1982.