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Martin Wagner: Michaelskirche in Eltingen (1617)

Ein Jahr vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wurde die Michaelskirche in Eltingen ausgemalt. Die Gemeinde war zu Wohlstand gelangt, man konnte sich ein umfangreiches Bildprogramm leisten. Unter dem damaligen Pfarrer, Johann Ludwig von Grab, wurde der Maler Martin Wagner, ein „Tüncher“ aus dem nahen Leonberg, mit der Innenausgestaltung beauftragt. An der Ostwand des Kirchenschiffs wurde zu linker und rechter Seite des Chorbogens eine großflächige Schau des Jüngsten Gerichts angebracht. Der neue evangelische Glaube zeigt sich in Wagners Malereien dahingehend, dass nicht mehr, wie noch in mittelalterlichen Kirchen, die figürliche Darstellung ausschließlich im Vordergrund steht, sondern dass die Heiligenfiguren gleichsam nur dazu dienen, auf wichtige Bibelworte hinzuweisen, die neben ihnen auf die Wand eingeschrieben sind. Auch der Papst, der auf solchen Weltgerichten vor der Reformation fast immer als erster in die Himmelspforte drängelt, wurde hier weggelassen.
Möglicherweise hat sich schon vor der Bemalung 1617 an der Ostwand eine Darstellung des Jüngsten Gerichts befunden, die zum heutigen Fresko die Grundlage gab, da manche Einzelheiten auf mittelalterliche Vorbilder deuten und auch Befunde vor Ort in diese Richtung gehen. Wie auch immer: nach einem Weltgericht 1577 in Dassel und 1593 in Bürgstadt besitzt Eltingen das allerletzte dieser im Mittelalter beliebten Weltgerichte als Fresko in Deutschland.
Auf der linken Seite ist über dem Himmlischen Jerusalem ein Engel zu sehen, der mit der Posaune zum Jüngsten Gericht ruft. Folgerichtig öffnen sich die Gräber und die Toten kriechen hervor. Sie sammeln sich vor dem roten Rundbogentor, dem Ziel der Schar, über der ein Engel schützend die Flügel ausbreitet. Das Himmlische Jerusalem ist wie eine größere Kirche gestaltet. Nicht zuletzt kann man ja das Himmlische Jerusalem als Kirche, in der ein Ewiges Abendmahl gefeiert wird, verstehen, und auch im Mittelalter war eine solche Vorstellung immer präsent. Die Mauern der gemalten Kirche stoßen direkt auf die gemalten Diamantquader, die das Bild links abschließen, als würden diese Steine die Mauer des Himmlischen Jerusalem fortsetzen. Eine solche Quaderung ist typisch für die deutsche Renaissance, gleichsam erinnern sie an die Edelsteine als Fundament des Neuen Jerusalem.
Die Wandmalereien wurden nach dem Dreißigjährigen Krieg übermalt und erst 1962 wiederentdeckt. Sie wurden weitgehend freigelegt, obwohl die nun erneut sichtbare Darstellung mit dem Jüngsten Gericht in der Gemeinde nicht unumstritten gewesen war – sie wurde von einigen als überholt und nicht zeitgemäß empfunden.

Württ. Statistischen Landesamt (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Leonberg, Stuttgart 1930 (2).
Konrad Fröschle: Eltingen. Ein Streifzug durch die Ortsgeschichte, Leonberg 1982 (2).
Volker Trugenberger: Die Michaelskirche in Eltingen: Kirche und Kirchgänger im Laufe der Jahrhunderte, Leonberg-Eltingen 1988.

 

tags: Württemberg, Fresko, Reformation, Chor
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