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Georg Steyger (1564-1638): Kanzel in Wolfenbüttel (1623)

Die evangelische Marienkirche in Wolfenbüttel besitzt einen kostbaren Schnitzaltar aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Die Kirche ist von herausragender Bedeutung, denn sie ist der erste bedeutende protestantische Großkirchenbau Deutschlands. Die Kirche wird auch als Hauptkirche oder Beatae Mariae Virginis (kurz: BMV, heilige Jungfrau Maria) bezeichnet und wurde von Herzog Heinrich Julius (1564-1613) in Auftrag gegeben. Unter seinem Nachfolger wurde die Holzkanzel in Quedlinburg dann hergestellt, die Datierung schwankt zwischen 1616 und 1623. Gesichert ist, dass sie nach ihrer Fertigstellung zweimal umplatziert wurde, bis sie 1626 ihren heutigen Standort an der Chorecke fand. Dabei wurde auch die Anordnung der Reliefs umgestaltet. Heute zeigt das Jerusalemsrelief zur rechten Seitenwand und ist vom Kirchenschiff aus nicht zu sehen.

Geschaffen wurde die Kanzel von Georg Steyger (1564-1638), der vor allem in Quedlinburg aktiv war. Das weiß gestrichene Holz versucht, Marmor zu imitieren; aus optischen Gründen wurden einige Details von Heinrich Dedeke golden eingefasst. Die Szenerie ist aus dem Bibeldruck entliehen, vereinigt in sich jedoch mindestens zwei außerbiblische Traditionslinien. Zum einen ist der niederkniende Johannes vor dem stehenden Engel zu sehen, der mit seinem Arm auf die Stadt zeigt. Entgegen dem Bibeltext ist die Stadt niedriger als die beiden Personen gesetzt, so, als würde sie in einem Tal liegen. Nicht erst seit Albrecht Dürers eigenwilliger Interpretation des Himmlischen Jerusalem ist diese Darstellungsweise weit verbreitet. Zum anderen ist die Himmelsstadt auf der Kanzel als Zionsberg repräsentiert. Die Stadt in ihrer architektonischen Ausformulierung spielt nur bei den drei auffälligen Toren im Vordergrund, in denen jeweils eine Figur Wache hält, eine Rolle. Im Hintergrund sind weitere Bauten skizziert, allerdings nicht mehr goldfarben, ähnlich gereiht wie auf Bibeldrucken der Jahre 1557 und 1593 oder bei dem Reliefbild aus Ehningen (um 1620). Im eigentlichen Zentrum befindet sich der Zionsberg mit dem Lamm Gottes auf seiner Spitze.

August Fink, Horst Appuhn: Die Marienkirche Hauptkirche B. M. V. in Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 1965 (4).
Hans-Herbert Möller (Hrsg.): Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel, Hannover 1987.
…von grossen schönen Quaderstücken…: 400 Jahre Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel, 1608-2008, hrsg. vom Museum im Schloss Wolfenbüttel, Wolfenbüttel (2008).

 

tags: Renaissance, Georg Steyger, Wolfenbüttel, Niedersachsen, Kanzel, Schnitzwerk, Zionsberg
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