Einigen Künstler ist es gelungen, bei dem Thema Himmlisches Jerusalem einen eigenen stilistischen Beitrag zu leisten. Folgende Kriterien müssen erfüllt sein, will man von einer solchen eigenständigen Stilistik sprechen: die Werke müssen vor allem eine neue Formensprache beinhalten, und nicht Althergebrachtes kopieren. Sie müssen, zumindest für ein geübtes Auge, als Teil einer Schule oder Traditionslinie erkennbar sein. Es müssen mehrere Arbeiten sein, die so etwas wie eine Serie darstellen. Nikolaus Bette (geb. 1934) ist das über mehrere Stufen gelungen, zunächst in Altenbüren (St. Johannes und Agatha, 1972), Verl (St. Maria Immaculata, 1976), Maumke (St. Agatha) und schließlich in St. Nikolaus (Olsberg, 1984).
Typisch für Bettes Jerusalemsinterpretation ist das Quadrat, welches an verschiedenen Stellen ausbuchtet, so dass insgesamt eine rundliche Gestalt entsteht. Die Architektur ist niedrig, brüchig, fast zerfallen und ruinös. Wie stets bei Bette findet sich im Stadtzentrum das Lamm Gottes, auf weitere Figuren, wie Engel, Apostel, Johannes etc. wurde verzichtet. Immerhin eine kleine Gruppe von Heiligen belebt an der linken Seite des Olsberger Fensters die Szenerie. Ein gelb-rotes Hintergrundmuster erinnert an Beatus-Darstellungen des Mittelalters, wie auch die Architektur eher mittelalterlich anmutet, aber nicht einer bestimmten Stilrichtung wie Romanik, Ottonik oder Gotik verpflichtet ist.
Das Fenster wurde 1984 von Bette entworfen und von der Glasmanufaktur Otto Peters in Paderborn gegossen und anschließend in Olsberg eingebaut. Man findet diese Angaben versteckt an der Basis des rechten unteren Rundturms.
Seitdem war dieses Fenster der hauptsächliche Schmuck der Kirche von 1903. Nach der Jahrtausendwende sollte eine neue Orgel eingebaut werden. Die Orgelfront gegenüber dem Altar drohte das Fenster vollständig zu verdecken. Aus der Gemeinde kam Protest, und man fand eine kostspielige, aber überzeugende Lösung: Der Orgelprospekt bildet einen Tunnel allein zu dem Zweck, das dahinter liegende Fenster aus dem Kirchenschiff heraus sehen zu können.
Meist ist der Tunnel durch eine Glastür geschlossen. Nun kommt es ungewollt zu einem faszinierenden Lichtspiel: Blickt man vor der Glastür in Richtung des Altars, so spiegelt sich das Neue Jerusalem freischwebend im Raum! Vor dem weißen Putz der Gewölbekappen hebt es sich besonders gut ab. Man gewinnt den Eindruck, als würde in St. Nikolaus das Neue Jerusalem tatsächlich in die Kirche herabkommen. Diese geniale, einzigartige Lichtspiegelung sieht gewöhnlich allerdings nur der Organist, denn die Orgelempore ist für Besucher und Besucherinnen nicht zugänglich.
Christoph Kleinsorgen u.a.: Die Pfarrkirche St. Nikolaus in Olsberg: Festschrift zum 100. Kirchweihjubiläum, Olsberg 2003.
Jan Menke, Roland Menke: 50 Jahre KJG St. Nikolaus Olsberg, Strunzerdaal 2020.
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